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Grundlegung

zur

Metaphy$ik

der Sitten

von

Immanuel Kant.

Zweyte Auflage.

Riga,

bey Johann Friedri" Hartkno"
1786.
Inhaltsverzeichnis
Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Vorrede · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786


Vorrede.

Die alte grie"i$"e Philo$ophie theilte $i"
in drey Wi=en$"aften ab: Die Phy-
$ik, die Ethik und die Logik.
[5]Die$e Eintheilung i@ der Natur der Sa"e
vo}kommen angeme=en, und man hat an ihr
ni"ts zu verbe=ern, als etwa nur das Princip
der$elben hinzu zu thun, um $i" auf $ol"e Art
theils ihrer Vo}@%ndigkeit zu ver$i"ern, theils
[10]die nothwendigen Unterabtheilungen ri"tig be-
@immen zu k~nnen.

A}e Vernunfterkenntniß i@ entweder ma-
terial, und betra"tet irgend ein Object; oder
formal, und be$"%ftigt $i" bloß mit der Form
[15]des Ver@andes und der Vernunft $elb@, und
den a}gemeinen Regeln des Denkens |berhaupt,
ohne Unter$"ied der Objecte. Die formale
Philo$ophie heißt Logik, die materiale aber,

iii [4:387]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Vorrede · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

wel"e es mit be@immten Gegen@%nden und
den Ge$e{en zu thun hat, denen $ie unterwor-
fen $ind, i@ wiederum zwiefa". Denn die$e
Ge$e{e $ind entweder Ge$e{e der Natur, oder
[5]der Freyheit. Die Wi=en$"aft von der er@en
heißt Phy$ik, die der andern i@ Ethik;
jene wird au" Naturlehre, die$e Sittenlehre
genannt.

Die Logik kann keinen empiri$"en Theil
[10]haben, d. i. einen $ol"en, da die a}gemeinen
und nothwendigen Ge$e{e des Denkens auf
Gr|nden beruheten, die von der Erfahrung her-
genommen w%ren; denn $on@ w%re $ie ni"t
Logik, d. i. ein Canon f|r den Ver@and, oder
[15]die Vernunft, der bey a}em Denken gilt und
demon@rirt werden muß. Dagegen k~nnen
$owol die nat|rli"e, als $ittli"e Weltweis-
heit, jede ihren empiri$"en Theil haben, weil
jene der Natur, als einem Gegen@ande der
[20]Erfahrung, die$e aber dem Wi}en des Men-
$"en, $o fern er dur" die Natur a'icirt wird,
ihre Ge$e{e be@immen muß, die er@ern zwar
als Ge$e{e, na" denen a}es ge$"ieht, die

iv [4:387-388]
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zweyten als $ol"e, na" denen a}es ge$"ehen $o},
aber do" au" mit Erw%gung der Bedingun-
gen, unter denen es ~fters ni"t ge$"ieht.

Man kann a}e Philo$ophie, $o fern $ie
[5]$i" auf Gr|nde der Erfahrung fußt, empiri-
$"e, die aber, $o ledigli" aus Principien a
priori ihre Lehren vortr%gt, reine Philo$ophie
nennen. Die le{tere, wenn $ie bloß formal
i@, heißt Logik; i@ $ie aber auf be@immte Ge-
[10]gen@%nde des Ver@andes einge$"r%nkt, $o heißt
$ie Metaphy$ik.

Auf $ol"e Wei$e ent$pringt die Idee einer
zwiefa"en Metaphy$ik, einer Metaphy$ik der
Natur und einer Metaphy$ik der Sitten.
[15]Die Phy$ik wird al$o ihren empiri$"en, aber
au" einen rationalen Theil haben; die Ethik
glei"fa}s; wiewol hier der empiri$"e Theil
be$onders practi$"e Anthropologie, der ra-
tionale aber eigentli" Moral heißen k~nnte.

[20]A}e Gewerbe, Handwerke und K|n@e,
haben dur" die Vertheilung der Arbeiten ge-

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wonnen, da nemli" ni"t einer a}es ma"t,
$ondern jeder $i" auf gewi=e Arbeit, die $i",
ihrer Behandlungswei$e na", von andern
merkli" unter$"eidet, ein$"r%nkt, um $ie in
[5]der gr~ßten Vo}kommenheit und mit mehrerer
Lei"tigkeit lei@en zu k~nnen. Wo die Arbei-
ten $o ni"t unter$"ieden und vertheilt werden,
wo jeder ein Tau$endk|n@ler i@, da liegen die
Gewerbe no" in der gr~ßten Barbarey. Aber
[10]ob die$es zwar f|r $i" ein der Erw%gung ni"t
unw|rdiges Object w%re, zu fragen: ob die
reine Philo$ophie in a}en ihren Theilen ni"t
ihren be$ondern Mann erhei$"e, und es um
das Ganze des gelehrten Gewerbes ni"t be=er
[15]@ehen w|rde, wenn die, $o das Empiri$"e mit
dem Rationalen, dem Ge$"ma#e des Publi-
cums gem%ß, na" a}erley ihnen $elb@ unbe-
kannten Verh%ltni=en gemi$"t, zu verkaufen
gewohnt $ind, die $i" Selb@denker, andere
[20]aber, die den bloß rationalen Theil zubereiten,
Gr|bler nennen, gewarnt w|rden, ni"t zwey
Ge$"%fte zuglei" zu treiben, die in der Art, $ie
zu behandeln, gar $ehr ver$"ieden $ind, zu de-
ren jedem vie}ei"t ein be$onderes Talent erfo-

vi [4:388]
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dert wird, und deren Verbindung in einer Per-
$on nur St|mper hervorbringt: $o frage i"
hier do" nur, ob ni"t die Natur der Wi=en-
$"aft es erfodere, den empiri$"en von dem
[5]rationalen Theil jederzeit $orgf%ltig abzu$ondern,
und vor der eigentli"en (empiri$"en) Phy$ik
eine Metaphy$ik der Natur, vor der practi$"en
Anthropologie aber eine Metaphy$ik der Sitten
voranzu$"i#en, die von a}em Empiri$"en
[10]$orgf%ltig ges%ubert $eyn m|ßte, um zu wi=en,
wie viel reine Vernunft in beiden F%}en lei@en
k~nne, und aus wel"en Que}en $ie $elb@ die$e
ihre Belehrung a priori $"~pfe, es mag |bri-
gens das le{tere Ge$"%fte von a}en Sittenleh-
[15]rern, (deren Name Legion heißt) oder nur
von einigen, die Beruf dazu f|hlen, getrie-
ben werden.

Da meine Ab$i"t hier eigentli" auf die
$ittli"e Weltweisheit geri"tet i@, $o $"r%nke
[20]i" die vorgelegte Frage nur darauf ein: ob
man ni"t meyne, daß es von der %ußer@en
Nothwendigkeit $ey, einmal eine reine Moral-
philo$ophie zu bearbeiten, die von a}em, was

vii [4:388-389]
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nur empiri$" $eyn mag und zur Anthropologie
geh~rt, v~}ig ges%ubert w%re; denn, daß es eine
$ol"e geben m|=e, leu"tet von $elb@ aus der
gemeinen Idee der Pfli"t und der $ittli"en Ge-
[5]$e{e ein. Jedermann muß einge@ehen, daß
ein Ge$e{, wenn es morali$", d. i. als Grund
einer Verbindli"keit, gelten $o}, ab$olute
Nothwendigkeit bey $i" f|hren m|=e; daß das
Gebot: du $o}t ni"t l|gen, ni"t etwa bloß
[10]f|r Men$"en gelte, andere vern|nftige We$en
$i" aber daran ni"t zu kehren h%tten; und $o
a}e |brige eigentli"e Sittenge$e{e; daß mithin
der Grund der Verbindli"keit hier ni"t in der
Natur des Men$"en, oder den Um@%nden in
[15]der Welt, darin er ge$e{t i@, ge$u"t werden
m|=e, $ondern a priori ledigli" in Begri'en
der reinen Vernunft, und daß jede andere Vor-
$"rift, die $i" auf Principien der bloßen Er-
fahrung gr|ndet, und $ogar eine in gewi=em
[20]Betra"t a}gemeine Vor$"rift, $o fern $ie $i"
dem minde@en Theile, vie}ei"t nur einem Be-
wegungsgrunde na", auf empiri$"e Gr|nde
@|{t, zwar eine practi$"e Regel, niemals aber
ein morali$"es Ge$e{ heißen kann.

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Al$o unter$"eiden $i" die morali$"en Ge-
$e{e, $amt ihren Principien, unter a}em pra-
cti$"en Erkenntni=e von a}em |brigen, darin
irgend etwas Empiri$"es i@, ni"t a}ein we-
[5]$entli", $ondern a}e Moralphilo$ophie beruht
g%nzli" auf ihrem reinen Theil, und, auf den
Men$"en angewandt, entlehnt $ie ni"t das
minde@e von der Kenntniß de=elben, (Anthro-
pologie,) $ondern giebt ihm, als vern|nftigem
[10]We$en, Ge$e{e a priori, die freyli" no" dur"
Erfahrung ge$"%rfte Urtheilskraft erfodern, um
theils zu unter$"eiden, in wel"en F%}en $ie
ihre Anwendung haben, theils ihnen Eingang
in den Wi}en des Men$"en und Nachdru# zur
[15]Aus|bung zu ver$"a'en, da die$e, als $elb@
mit $o viel Neigungen a'icirt, der Idee einer
practi$"en reinen Vernunft zwar f%hig, aber
ni"t $o lei"t verm~gend i@, $ie in $einem Le-
benswandel in concreto wirk$am zu ma"en.

[20]Eine Metaphy$ik der Sitten i@ al$o un-
entbehrli" nothwendig, ni"t bloß aus einem
Bewegungsgrunde der Speculation, um die
Que}e der a priori in un$erer Vernunft liegen-

ix [4:389-390]
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den practi$"en Grunds%{e zu erfor$"en, $on-
dern weil die Sitten $elber a}erley Verderbniß
unterworfen bleiben, $o lange jener Leitfaden
und ober@e Norm ihrer ri"tigen Beurtheilung
[5]fehlt. Denn bey dem, was morali$" gut
$eyn $o}, i@ es ni"t genug, daß es dem $ittli-
"en Ge$e{e gem%ß $ey, $ondern es muß au"
um de=elben wi}en ge$"ehen; widrigenfa}s
i@ jene Gem%ßheit nur $ehr zuf%}ig und miß-
[10]li", weil der un$ittli"e Grund zwar dann und
wann ge$e{m%ßige, mehrmalen aber ge$e{wi-
drige Handlungen hervorbringen wird. Nun
i@ aber das $ittli"e Ge$e{, in $einer Reinigkeit
und Ae"theit, (woran eben im Practi$"en am
[15]mei@en gelegen i@,) nirgend anders, als in einer
reinen Philo$ophie zu $u"en, al$o muß die$e
(Metaphy$ik) vorangehen, und ohne $ie kann es
|bera} keine Moralphilo$ophie geben; $elb@ ver-
dient diejenige, wel"e jene reine Principien
[20]unter die empiri$"en mi$"t, den Namen einer
Philo$ophie ni"t, (denn dadur" unter$"eidet
die$e $i" eben von der gemeinen Vernunfter-
kenntniß, daß $ie, was die$e nur vermengt be-
greift, in abge$onderter Wi=en$"aft vortr%gt,)

x [4:390]
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viel weniger einer Moralphilo$ophie, weil $ie
eben dur" die$e Vermengung $o gar der Rei-
nigkeit der Sitten $elb@ Abbru" thut und ih-
rem eigenen Zwe#e zuwider verf%hrt.

[5]Man denke do" ja ni"t, daß man das,
was hier gefodert wird, $"on an der Prop%-
devtik des ber|hmten Wolf vor $einer Moral-
philo$ophie, nemli" der von ihm $o genannten
a}gemeinen practi$"en Weltweisheit, habe,
[10]und hier al$o ni"t eben ein ganz neues Feld
einzu$"lagen $ey. Eben darum, weil $ie eine
a}gemeine practi$"e Weltweisheit $eyn $o}te,
hat $ie keinen Wi}en von irgend einer be$on-
dern Art, etwa einen $ol"en, der ohne a}e
[15]empiri$"e Bewegungsgr|nde, v~}ig aus Prin-
cipien a priori, be@immt werde, und den man
einen reinen Wi}en nennen k~nnte, $ondern
das Wo}en |berhaupt in Betra"tung gezogen,
mit a}en Handlungen und Bedingungen, die
[20]ihm in die$er a}gemeinen Bedeutung zukom-
men, und dadur" unter$"eidet $ie $i" von einer
Metaphy$ik der Sitten, eben $o wie die a}ge-
meine Logik von der Tran=cendentalphilo$o-

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phie, von denen die er@ere die Handlungen
und Regeln des Denkens |berhaupt, die$e
aber bloß die be$ondern Handlungen und Re-
geln des reinen Denkens, d. i. desjenigen,
[5]wodur" Gegen@%nde v~}ig a priori erkannt
werden, vortr%gt. Denn die Metaphy$ik der
Sitten $o} die Idee und die Principien eines
m~gli"en reinen Wi}ens unter$u"en, und
ni"t die Handlungen und Bedingungen des
[10]men$"li"en Wo}ens |berhaupt, wel"e gr~ß-
tentheils aus der P$y"ologie ge$"~pft werden.
Daß in der a}gemeinen practi$"en Weltweis-
heit (wiewol wider a}e Befugniß,) au" von
morali$"en Ge$e{en und Pfli"t geredet wird,
[15]ma"t keinen Einwurf wider meine Behaup-
tung aus. Denn die Verfa=er jener Wi=en-
$"aft bleiben ihrer Idee von der$elben au"
hierin treu; $ie unter$"eiden ni"t die Bewe-
gungsgr|nde, die, als $ol"e, v~}ig a priori
[20]bloß dur" Vernunft vorge@e}t werden und ei-
gentli" morali$" $ind, von den empiri$"en, die
der Ver@and bloß dur" Verglei"ung der Er-
fahrungen zu a}gemeinen Begri'en erhebt,
$ondern betra"ten $ie, ohne auf den Unter$"ied

xii [4:390-391]
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ihrer Que}en zu a"ten, nur na" der gr~ßeren
oder kleineren Summe der$elben, (indem $ie al-
le als glei"artig ange$ehen werden,) und ma-
"en $i" dadur" ihren Begri' von Verbind-
[5]li"keit, der freyli" ni"ts weniger als mora-
li$", aber do" $o be$"a'en i@, als es in einer
Philo$ophie, die |ber den Ur$prung a}er m~g-
li"en practi$"en Begri'e, ob $ie au" a priori
oder bloß a posteriori @att+nden, gar ni"t ur-
[10]theilt, nur verlangt werden kann.

Im Vor$a{e nun, eine Metaphy$ik der
Sitten derein@ zu liefern, la=e i" die$e Grund-
legung vorangehen. Zwar giebt es eigentli"
keine andere Grundlage der$elben, als die Cri-
[15]tik einer reinen practi$"en Vernunft, $o
wie zur Metaphy$ik die $"on gelieferte Critik
der reinen $peculativen Vernunft. A}ein, theils
i@ jene ni"t von $o %ußer@er Nothwendigkeit,
als die$e, weil die men$"li"e Vernunft im
[20]Morali$"en, $elb@ beym gemein@en Ver@an-
de, lei"t zu großer Ri"tigkeit und Ausf|hr-
li"keit gebra"t werden kann, da $ie hingegen im
theoreti$"en, aber reinen Gebrau", ganz und

xiii [4:391]
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gar dialecti$" i@: theils erfodere i" zur Critik
einer reinen practi$"en Vernunft, daß, wenn
$ie vo}endet $eyn $o}, ihre Einheit mit
der $peculativen in einem gemein$"aftli"en
[5]Princip zuglei" m|=e darge@e}t werden k~n-
nen; weil es do" am Ende nur eine und die-
$elbe Vernunft $eyn kann, die bloß in der An-
wendung unter$"ieden $eyn muß. Zu einer
$ol"en Vo}@%ndigkeit konnte i" es aber hier
[10]no" ni"t bringen, ohne Betra"tungen von
ganz anderer Art herbeyzuziehen und den Le-
$er zu verwirren. Um deswi}en habe i" mi",
@att der Benennung einer Critik der rei-
nen practi$"en Vernunft, der von einer
[15]Grundlegung zur Metaphy$ik der Sit-
ten bedient.

Weil aber drittens au" eine Metaphy$ik
der Sitten, ungea"tet des ab$"re#enden Ti-
tels, denno" eines großen Grades der Popu-
[20]larit%t und Angeme=enheit zum gemeinen Ver-
@ande f%hig i@, $o +nde i" f|r n|{li", die$e
Vorarbeitung der Grundlage davon abzu$on-
dern, um das Subtile, was darin unvermeid-

xiv [4:391-392]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Vorrede · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

li" i@, k|nftig ni"t faßli"ern Lehren beyf|-
gen zu d|rfen.

Gegenw%rtige Grundlegung i@ aber
ni"ts mehr, als die Auf$u"ung und Fe@$e-
[5]{ung des ober@en Princips der Moralit%t,
wel"e a}ein ein, in $einer Ab$i"t, ganzes und
von a}er anderen $ittli"en Unter$u"ung abzu-
$onderndes Ge$"%fte ausma"t. Zwar w|rden
meine Behauptungen, |ber die$e wi"tige und
[10]bisher bey weitem no" ni"t zur Gnugthuung
er~rterte Hauptfrage, dur" Anwendung de=el-
ben Princips auf das ganze Sy@em, viel Li"t,
und, dur" die Zul%ngli"keit, die es a}enthalben
bli#en l%ßt, große Be@%tigung erhalten: a}ein
[15]i" mußte mi" die$es Vortheils begeben, der
au" im Grunde mehr eigenliebig, als gemein-
n|{ig $eyn w|rde, weil die Lei"tigkeit im Ge-
brau"e und die $"einbare Zul%ngli"keit eines
Princips keinen ganz $i"eren Beweis von der
[20]Ri"tigkeit de=elben abgiebt, vielmehr eine ge-
wi=e Parteyli"keit erwe#t, es ni"t f|r $i"
$elb@, ohne a}e R|#$i"t auf die Folge, na"
a}er Strenge zu unter$u"en und zu w%gen.

xv [4:392]
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I" habe meine Methode in die$er S"rift
$o genommen, wie i" glaube, daß $ie die $"i#-
li"@e $ey, wenn man vom gemeinen Erkennt-
ni=e zur Be@immung des ober@en Princips
[5]de=elben analyti$" und wiederum zur|# von
der Pr|fung die$es Princips und den Que}en
de=elben zur gemeinen Erkenntniß, darin $ein
Gebrau" angetro'en wird, $yntheti$" den
Weg nehmen wi}. Die Eintheilung i@ daher
[10]$o ausgefa}en:

1. Er@er Ab$"nitt: Uebergang von der
gemeinen $ittli"en Vernunfterkenntniß
zur philo$ophi$"en.

2. Zweyter Ab$"nitt: Uebergang von der
[15]popul%ren Moralphilo$ophie zur Metaphy-
$ik der Sitten.

3. Dritter Ab$"nitt: Le{ter S"ritt von
der Metaphy$ik der Sitten zur Critik der
reinen practi$"en Vernunft.



xvi [4:392]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Er@er Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786


Er@er Ab$"nitt.

Uebergang
von der gemeinen $ittli"en Vernunfterkennt-
niß zur philo$ophi$"en.

[5]Es i@ |bera} ni"ts in der Welt, ja |berhaupt
au" außer der$elben zu denken m~gli", was
ohne Ein$"r%nkung f|r gut k~nnte gehalten werden, als
a}ein ein guter Wille. Ver@and, Wi{, Urtheils-
kraft und wie die Talente des Gei@es $on@ hei=en m~-
[10]gen, oder Muth, Ent$"lo=enheit, Beharrli"keit im
Vor$a{e, als Eigen$"aften des Temperaments, $ind
ohne Zweifel in man"er Ab$i"t gut und w|n$"ens-
werth; aber $ie k~nnen au" %ußer@ b~$e und $"%dli"
werden, wenn der Wi}e, der von die$en Naturgaben
[15]Gebrau" ma"en $o} und de=en eigenth|mli"e Be$"af-
fenheit darum Character heißt, ni"t gut i@. Mit den
Gl|#sgaben i@ es eben $o bewandt. Ma"t, Rei"-
thum, Ehre, $elb@ Ge$undheit, und das ganze Wohlbe-
+nden und Zufriedenheit mit $einem Zu@ande, unter

1 [4:393]
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dem Namen der Gl|#$eligkeit, ma"en Muth und
hiedur" ~fters au" Uebermuth, wo ni"t ein guter
Wi}e da i@, der den Einfluß der$elben aufs Gem|th,
und hiemit au" das ganze Princip zu handeln, beri"-
[5]tige und a}gemein-zwe#m%ßig ma"e; ohne zu erw%h-
nen, daß ein vern|nftiger unparteyi$"er Zu$"auer $ogar
am Anbli#e eines ununterbro"enen Wohlergehens eines
We$ens, das kein Zug eines reinen und guten Wi}ens
zieret, nimmermehr ein Wohlgefa}en haben kann, und
[10]$o der gute Wi}e die unerlaßli"e Bedingung $elb@ der
W|rdigkeit gl|#li" zu $eyn auszuma"en $"eint.

Einige Eigen$"aften $ind $ogar die$em guten Wil-
len $elb@ bef~rderli" und k~nnen $ein Werk $ehr erlei"-
tern, haben aber dem ungea"tet keinen innern unbe-
[15]dingten Werth, $ondern $e{en immer no" einen guten
Wi}en voraus, der die Ho"$"%{ung, die man |brigens
mit Re"t f|r $ie tr%gt, ein$"r%nkt, und es ni"t erlaubt,
$ie f|r $"le"thin gut zu halten. M%ßigung in A'ecten
und Leiden$"aften, Selb@beherr$"ung und n|"terne
[20]Ueberlegung $ind ni"t a}ein in vielerley Ab$i"t gut, $on-
dern $"einen $ogar einen Theil vom innern Werthe der
Per$on auszuma"en; a}ein es fehlt viel daran, um $ie
ohne Ein$"r%nkung f|r gut zu erkl%ren, ($o unbedingt
$ie au" von den Alten geprie$en worden). Denn ohne
[25]Grunds%{e eines guten Wi}ens k~nnen $ie h~"@ b~$e
werden, und das kalte Blut eines B~$ewi"ts ma"t ihn

2 [4:393-394]
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ni"t a}ein weit gef%hrli"er, $ondern au" unmittelbar
in un$ern Augen no" verab$"euungsw|rdiger, als er
ohne die$es daf|r w|rde gehalten werden.

Der gute Wi}e i@ ni"t dur" das, was er be-
[5]wirkt, oder ausri"tet, ni"t dur" $eine Taugli"keit zu
Errei"ung irgend eines vorge$e{ten Zwe#es, $ondern
a}ein dur" das Wo}en, d. i. an $i", gut, und, f|r $i"
$elb@ betra"tet, ohne Verglei" weit h~her zu $"%{en,
als a}es, was dur" ihn zu Gun@en irgend einer Nei-
[10]gung, ja, wenn man wi}, der Summe a}er Neigungen,
nur immer zu Stande gebra"t werden k~nnte. Wenn
glei" dur" eine be$ondere Ungun@ des S"i#$als, oder
dur" k%rgli"e Aus@attung einer @iefm|tterli"en Natur,
es die$em Wi}en g%nzli" an Verm~gen fehlete, $eine Ab-
[15]$i"t dur"zu$e{en; wenn bey $einer gr~ßten Be@rebung
denno" ni"ts von ihm ausgeri"tet w|rde, und nur der
gute Wi}e (freyli" ni"t etwa ein bloßer Wun$", $on-
dern als die Aufbietung a}er Mittel, $o weit $ie in un-
$erer Gewalt $ind,) |brig bliebe: $o w|rde er wie ein
[20]Juwel do" f|r $i" $elb@ gl%nzen, als etwas, das $einen
vo}en Werth in $i" $elb@ hat. Die N|{li"keit oder
Fru"tlo$igkeit kann die$em Werthe weder etwas zu$e{en,
no" abnehmen. Sie w|rde glei"$am nur die Einfa=ung
$eyn, um ihn im gemeinen Verkehr be=er handhaben zu
[25]k~nnen, oder die Aufmerk$amkeit derer, die no" ni"t
gnug Kenner $ind, auf $i" zu ziehen, ni"t aber um

3 [4:394]
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ihn Kennern zu empfehlen, und $einen Werth zu be-
@immen.

Es liegt glei"wohl in die$er Idee von dem ab$o-
luten Werthe des bloßen Wi}ens, ohne einigen Nu{en
[5]bey S"%{ung de=elben in An$"lag zu bringen, etwas
$o befremdli"es, daß, unera"tet a}er Ein@immung
$elb@ der gemeinen Vernunft mit der$elben, denno" ein
Verda"t ent$pringen muß, daß vie}ei"t bloß ho"flie-
gende Phanta@erey ingeheim zum Grunde liege, und die
[10]Natur in ihrer Ab$i"t, warum $ie un$erm Wi}en Ver-
nunft zur Regiererin beygelegt habe, fal$" ver@anden
$eyn m~ge. Daher wo}en wir die$e Idee aus die$em
Ge$i"t$punkte auf die Pr|fung @e}en.

In den Naturanlagen eines organi$irten, d. i.
[15]zwe#m%ßig zum Leben eingeri"teten We$ens, nehmen
wir es als Grund$a{ an, daß kein Werkzeug zu irgend
einem Zwe#e in dem$elben angetro'en werde, als was
au" zu dem$elben das $"i#li"@e und ihm am mei@en
angeme=en i@. W%re nun an einem We$en, das Vernunft
[20]und einen Wi}en hat, $eine Erhaltung, $ein Wohl-
ergehen, mit einem Worte $eine Gl|#$eligkeit, der ei-
gentli"e Zwe# der Natur, $o h%tte $ie ihre Veran@al-
tung dazu $ehr $"le"t getro'en, $i" die Vernunft des
Ge$"~pfs zur Ausri"terin die$er ihrer Ab$i"t zu er$ehen.
[25]Denn a}e Handlungen, die es in die$er Ab$i"t auszu-

4 [4:394-395]
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|ben hat, und die ganze Regel $eines Verhaltens w|rden
ihm weit genauer dur" In@inkt vorgezei"net, und jener
Zwe# weit $i"erer dadur" haben erhalten werden k~n-
nen, als es jemals dur" Vernunft ge$"ehen kann, und,
[5]$o}te die$e ja obenein dem beg|n@igten Ge$"~pf ertheilt
worden $eyn, $o w|rde $ie ihm nur dazu haben dienen
m|=en, um |ber die gl|#li"e Anlage $einer Natur Be-
tra"tungen anzu@e}en, $ie zu bewundern, $i" ihrer zu
erfreuen und der wohlth%tigen Ur$a"e daf|r dankbar zu
[10]$eyn; ni"t aber, um $ein Begehrungsverm~gen jener
$"wa"en und tr|gli"en Leitung zu unterwerfen und in
der Naturab$i"t zu pfu$"en; mit einem Worte, $ie w|r-
de verh|tet haben, daß Vernunft ni"t in practi$"en
Gebrau" aus$"l|ge, und die Verme=enheit h%tte, mit
[15]ihren $"wa"en Ein$i"ten ihr $elb@ den Entwurf der
Gl|#$eligkeit und der Mittel dazu zu gelangen auszuden-
ken; die Natur w|rde ni"t a}ein die Wahl der Zwe#e,
$ondern au" der Mittel $elb@ |bernommen, und beide
mit wei$er Vor$orge ledigli" dem In@inkte anvertraut
[20]haben.

In der That +nden wir au", daß, je mehr eine
cultivirte Vernunft $i" mit der Ab$i"t auf den Genuß
des Lebens und der Gl|#$eligkeit abgiebt, de@o weiter
der Men$" von der wahren Zufriedenheit abkomme, wor-
[25]aus bey vielen, und zwar den ver$u"te@en im Gebrau-
"e der$elben, wenn $ie nur aufri"tig genug $ind, es

5 [4:395]
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zu ge@ehen, ein gewi=er Grad von Mi$ologie, d. i.
Haß der Vernunft ent$pringt, weil $ie na" dem Ueber-
$"lage a}es Vortheils, den $ie, i" wi} ni"t $agen von
der Er+ndung a}er K|n@e des gemeinen Luxus, $ondern
[5]$o gar von den Wi=en$"aften (die ihnen am Ende au"
ein Luxus des Ver@andes zu $eyn $"einen) ziehen, den-
no" +nden, daß $ie $i" in der That nur mehr M|h$elig-
keit auf den Hals gezogen, als an Gl|#$eligkeit gewon-
nen haben, und dar|ber endli" den gemeinern S"lag der
[10]Men$"en, wel"er der Leitung des bloßen Naturin@inkts
n%her i@, und der $einer Vernunft ni"t viel Einfluß auf
$ein Thun und La=en ver@attet, eher beneiden, als gering-
$"%{en. Und $o weit muß man ge@ehen, daß das Ur-
theil derer, die die ruhmredige Ho"prei$ungen der
[15]Vortheile, die uns die Vernunft in An$ehung der Gl|#-
$eligkeit und Zufriedenheit des Lebens ver$"a'en $o}te,
$ehr m%ßigen und $ogar unter Nu} herab$e{en, keines-
weges gr%mi$", oder gegen die G|te der Weltregierung
undankbar $ey, $ondern daß die$en Urtheilen ingeheim
[20]die Idee von einer andern und viel w|rdigern Ab$i"t ih-
rer Exi@enz zum Grunde liege, zu wel"er, und ni"t der
Gl|#$eligkeit, die Vernunft ganz eigentli" be@immt $ey,
und wel"er darum, als ober@er Bedingung, die Pri-
vatab$i"t des Men$"en gr~ßtentheils na"@ehen muß.

[25]Denn da die Vernunft dazu ni"t taugli" genug
i@, um den Wi}en in An$ehung der Gegen@%nde de=el-

6 [4:395-396]
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ben und der Befriedigung a}er un$erer Bed|rfni=e (die
$ie zum Theil $elb@ vervielf%ltigt) $i"er zu leiten, als
zu wel"em Zwe#e ein eingepflanzter Naturin@inkt viel
gewi=er gef|hrt haben w|rde, glei"wol aber uns Ver-
[5]nunft als practi$"es Verm~gen, d. i. als ein $ol"es,
das Einfluß auf den Wi}en haben $o}, denno" zuge-
theilt i@; $o muß die wahre Be@immung der$elben $eyn,
einen, ni"t etwa in anderer Ab$i"t als Mittel, $on-
dern an $i" $elb@ guten Wi}en hervorzubringen, wo-
[10]zu $"le"terdings Vernunft n~thig war, wo anders die
Natur |bera} in Au@heilung ihrer Anlagen zwe#m%ßig
zu Werke gegangen i@. Die$er Wi}e darf al$o zwar
ni"t das einzige und das ganze, aber er muß do" das
h~"@e Gut, und zu a}em Uebrigen, $elb@ a}em Verlan-
[15]gen na" Gl|#$eligkeit, die Bedingung $eyn, in wel"em
Fa}e es $i" mit der Weisheit der Natur gar wohl ver-
einigen l%ßt, wenn man wahrnimmt, daß die Cultur
der Vernunft, die zur er@ern und unbedingten Ab$i"t
erforderli" i@, die Errei"ung der zweyten, die jederzeit
[20]bedingt i@, nemli" der Gl|#$eligkeit, wenig@ens in die-
$em Leben, auf man"erley Wei$e ein$"r%nke, ja $ie $elb@
unter Ni"ts herabbringen k~nne, ohne daß die Natur
darin unzwe#m%ßig verfahre, weil die Vernunft, die
ihre h~"@e practi$"e Be@immung in der Gr|ndung eines
[25]guten Wi}ens erkennt, bey Errei"ung die$er Ab$i"t nur
einer Zufriedenheit na" ihrer eigenen Art, nemli" aus
der Erf|}ung eines Zwe#s, den wiederum nur Vernunft

7 [4:396]
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be@immt, f%hig i@, $o}te die$es au" mit man"em Ab-
bru", der den Zwe#en der Neigung ge$"ieht, verbun-
den $eyn.

Um aber den Begri' eines an $i" $elb@ ho"zu$"%-
[5]{enden und ohne weitere Ab$i"t guten Wi}ens, $o wie er
$"on dem nat|rli"en ge$unden Ver@ande beywohnet und
ni"t $o wohl gelehret als vielmehr nur aufgekl%rt zu wer-
den bedarf, die$en Begri', der in der S"%{ung des ganzen
Werths un$erer Handlungen immer obenan @eht und die
[10]Bedingung a}es |brigen ausma"t, zu entwi#eln: wo}en
wir den Begri' der Pfli"t vor uns nehmen, der den
eines guten Wi}ens, obzwar unter gewi=en $ubjectiven
Ein$"r%nkungen und Hinderni=en, enth%lt, die aber
do", weit gefehlt, daß $ie ihn ver@e#en und unkenntli"
[15]ma"en $o}ten, ihn vielmehr dur" Ab@e"ung heben und
de@o he}er hervor$"einen la=en.

I" |bergehe hier a}e Handlungen, die $"on als
pfli"twidrig erkannt werden, ob $ie glei" in die$er oder
jener Ab$i"t n|{li" $eyn m~gen; denn bey denen i@
[20]gar ni"t einmal die Frage, ob $ie aus Pfli"t ge$"ehen
$eyn m~gen, da $ie die$er $ogar wider@reiten. I"
$e{e au" die Handlungen bey Seite, die w|rkli" pfli"t-
m%ßig $ind, zu denen aber Men$"en unmittelbar keine
Neigung haben, $ie aber denno" aus|ben, weil $ie
[25]dur" eine andere Neigung dazu getrieben werden. Denn

8 [4:396-397]
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da l%ßt $i" lei"t unter$"eiden, ob die pfli"tm%ßige
Handlung aus Pfli"t oder aus $elb@$|"tiger Ab$i"t
ge$"ehen $ey. Weit $"werer i@ die$er Unter$"ied zu
bemerken, wo die Handlung pfli"tm%ßig i@ und das
[5]Subject no" |berdem unmittelbare Neigung zu ihr hat.
Z.B. es i@ a}erdings pfli"tm%ßig, daß der Kr%mer
$einen unerfahrnen K%ufer ni"t |bertheure, und, wo viel
Verkehr i@, thut die$es au" der kluge Kaufmann ni"t,
$ondern h%lt einen fe@ge$e{ten a}gemeinen Preis f|r je-
[10]dermann, $o daß ein Kind eben $o gut bey ihm kauft,
als jeder anderer. Man wird al$o ehrli" bedient;
a}ein das i@ lange ni"t genug, um deswegen zu glau-
ben, der Kaufmann habe aus Pfli"t und Grunds%{en
der Ehrli"keit $o verfahren; $ein Vortheil erforderte es;
[15]daß er aber |berdem no" eine unmittelbare Neigung zu
den K%ufern haben $o}te, um glei"$am aus Liebe keinem
vor dem andern im Prei$e den Vorzug zu geben, l%ßt $i"
hier ni"t annehmen. Al$o war die Handlung weder aus
Pfli"t, no" aus unmittelbarer Neigung, $ondern bloß
[20]in eigenn|{iger Ab$i"t ge$"ehen.

Dagegen $ein Leben zu erhalten, i@ Pfli"t, und |ber-
dem hat jedermann dazu no" eine unmittelbare Neigung.
Aber um deswi}en hat die oft %ng@li"e Sorgfalt, die
der gr~ßte Theil der Men$"en daf|r tr%gt, do" keinen
[25]innern Werth, und die Maxime der$elben keinen morali-
$"en Gehalt. Sie bewahren ihr Leben zwar pfli"t-

9 [4:397-398]
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m%ßig, aber ni"t aus Pfli"t. Dagegen, wenn Wi-
derw%rtigkeiten und ho'nungslo$er Gram den Ge$"ma#
am Leben g%nzli" weggenommen haben; wenn der Un-
gl|#li"e, @ark an Seele, |ber $ein S"i#$al mehr ent-
[5]r|@et, als kleinm|thig oder niederge$"lagen, den Tod
w|n$"t, und $ein Leben do" erh%lt, ohne es zu lieben,
ni"t aus Neigung, oder Fur"t, $ondern aus Pfli"t;
alsdenn hat $eine Maxime einen morali$"en Gehalt.

Wohlth%tig $eyn, wo man kann, i@ Pfli"t, und
[10]|berdem giebt es man"e $o theilnehmend ge@immte See-
len, daß $ie, au" ohne einen andern Bewegungsgrund
der Eitelkeit, oder des Eigennu{es, ein inneres Vergn|-
gen daran +nden, Freude um $i" zu verbreiten, und die
$i" an der Zufriedenheit anderer, $o fern $ie ihr Werk
[15]i@, erg~{en k~nnen. Aber i" behaupte, daß in $ol"em
Fa}e derglei"en Handlung, $o pfli"tm%ßig, $o liebens-
w|rdig $ie au" i@, denno" keinen wahren $ittli"en
Werth habe, $ondern mit andern Neigungen zu glei"en
Paaren gehe, z. E. der Neigung na" Ehre, die, wenn
[20]$ie gl|#li"erwei$e auf das tri't, was in der That ge-
meinn|{ig und pfli"tm%ßig, mithin ehrenwerth i@, Lob
und Aufmunterung, aber ni"t Ho"$"%{ung verdient;
denn der Maxime fehlt der $ittli"e Gehalt, nemli" $ol-
"e Handlungen ni"t aus Neigung, $ondern aus Pfli"t
[25]zu thun. Ge$e{t al$o, das Gem|th jenes Men$"en-
freundes w%re vom eigenen Gram umw~lkt, der a}e

10 [4:398]
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Theilnehmung an anderer S"i#$al ausl~$"t, er h%tte
immer no" Verm~gen, andern Nothleidenden wohlzu-
thun, aber fremde Noth r|hrte ihn ni"t, weil er mit
$einer eigenen gnug be$"%ftigt i@, und nun, da keine
[5]Neigung ihn mehr dazu anreizt, ri=e er $i" do" aus
die$er t~dtli"en Unemp+ndli"keit heraus, und th%te die
Handlung ohne a}e Neigung, ledigli" aus Pfli"t, als-
denn hat $ie a}erer@ ihren %"ten morali$"en Werth.
No" mehr: wenn die Natur die$em oder jenem |berhaupt
[10]wenig Sympathie ins Herz gelegt h%tte, wenn er (|bri-
gens ein ehrli"er Mann) von Temperament kalt und
glei"g|ltig gegen die Leiden anderer w%re, vie}ei"t,
weil er $elb@ gegen $eine eigene mit der be$ondern Gabe
der Geduld und aushaltenden St%rke ver$ehen, derglei-
[15]"en bey jedem andern au" voraus$e{t, oder gar fordert;
wenn die Natur einen $ol"en Mann (wel"er wahrli"
ni"t ihr $"le"te@es Product $eyn w|rde) ni"t eigentli"
zum Men$"enfreunde gebildet h%tte, w|rde er denn
ni"t no" in $i" einen Que} +nden, $i" $elb@ einen weit
[20]h~hern Werth zu geben, als der eines gutartigen Tem-
peraments $eyn mag? A}erdings! gerade da hebt der
Werth des Charakters an, der morali$" und ohne a}e
Verglei"ung der h~"@e i@, nemli" daß er wohlthue,
ni"t aus Neigung, $ondern aus Pfli"t.

[25]Seine eigene Gl|#$eligkeit $i"ern, i@ Pfli"t, (we-
nig@ens indirect,) denn der Mangel der Zufriedenheit

11 [4:398-399]
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mit $einem Zu@ande, in einem Gedr%nge von vielen Sor-
gen und mitten unter unbefriedigten Bed|rfni=en, k~nn-
te lei"t eine große Ver$u"ung zu Uebertretung der
Pfli"ten werden. Aber, au" ohne hier auf Pfli"t
[5]zu $ehen, haben a}e Men$"en $"on von $elb@ die m%"-
tig@e und innig@e Neigung zur Gl|#$eligkeit, weil $i"
gerade in die$er Idee a}e Neigungen zu einer Summe
vereinigen. Nur i@ die Vor$"rift der Gl|#$eligkeit
mehrentheils $o be$"a'en, daß $ie einigen Neigungen
[10]großen Abbru" thut und do" der Men$" $i" von der
Summe der Befriedigung a}er unter dem Namen der
Gl|#$eligkeit keinen be@immten und $i"ern Begri' ma-
"en kann; daher ni"t zu verwundern i@, wie eine ein-
zige, in An$ehung de=en, was $ie verheißt, und der
[15]Zeit, worin ihre Befriedigung erhalten werden kann,
be@immte Neigung eine $"wankende Idee |berwiegen
k~nne, und der Men$" z.B. ein Podagri@ w%hlen k~nne,
zu genießen was ihm $"me#t und zu leiden was er kann,
weil er, na" $einem Ueber$"lage, hier wenig@ens, $i"
[20]ni"t dur" vie}ei"t grundlo$e Erwartungen eines Gl|#s,
das in der Ge$undheit @e#en $o}, um den Genuß des
gegenw%rtigen Augenbli#s gebra"t hat. Aber au" in
die$em Fa}e, wenn die a}gemeine Neigung zur Gl|#-
$eligkeit $einen Wi}en ni"t be@immte, wenn Ge$undheit
[25]f|r ihn wenig@ens ni"t $o nothwendig in die$en Ueber-
$"lag geh~rete, $o bleibt no" hier, wie in a}en andern
F%}en, ein Ge$e{ |brig, nemli" $eine Gl|#$eligkeit zu

12 [4:399]
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bef~rdern, ni"t aus Neigung, $ondern aus Pfli"t, und
da hat $ein Verhalten a}erer@ den eigentli"en morali-
$"en Werth.

So $ind ohne Zweifel au" die S"rift@e}en zu ver-
[5]@ehen, darin geboten wird, $einen N%"@en, $elb@
un$ern Feind, zu lieben. Denn Liebe als Neigung kann
ni"t geboten werden, aber Wohlthun aus Pfli"t $elb@,
wenn dazu glei" gar keine Neigung treibt, ja gar na-
t|rli"e und unbezwingli"e Abneigung wider@eht, i@
[10]practi$"e und ni"t pathologi$"e Liebe, die im Wi}en
liegt und ni"t im Hange der Emp+ndung, in Grund-
s%{en der Handlung und ni"t $"melzender Theilneh-
mung; jene aber a}ein kann geboten werden.

Der zweyte Sa{ i@: eine Handlung aus Pfli"t
[15]hat ihren morali$"en Werth ni"t in der Ab$i"t, wel-
"e dadur" errei"t werden $o}, $ondern in der Maxime,
na" der $ie be$"lo=en wird, h%ngt al$o ni"t von
der Wirkli"keit des Gegen@andes der Handlung ab,
$ondern blos von dem Princip des Wo}ens, na"
[20]wel"em die Handlung, unange$ehen a}er Gegen@%nde
des Begehrungsverm~gens, ge$"ehen i@. Daß die Ab-
$i"ten, die wir bey Handlungen haben m~gen, und ihre
Wirkungen, als Zwe#e und Triebfedern des Wi}ens,
den Handlungen keinen unbedingten und morali$"en
[25]Werth ertheilen k~nnen, i@ aus dem vorigen klar. Wor-
in kann al$o die$er Werth liegen, wenn er ni"t im

13 [4:399-400]
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Wi}en, in Beziehung auf deren verho'te Wirkung, be-
@ehen $o}? Er kann nirgend anders liegen, als im
Princip des Wi}ens, unange$ehen der Zwe#e, die
dur" $ol"e Handlung bewirkt werden k~nnen; denn der
[5]Wi}e i@ mitten inne zwi$"en $einem Princip a priori,
wel"es forme} i@, und zwi$"en $einer Triebfeder a po-
steriori, wel"e materie} i@, glei"$am auf einem S"ei-
dewege, und, da er do" irgend wodur" muß be@immt
werden, $o wird er dur" das forme}e Princip des Wol-
[10]lens |berhaupt be@immt werden m|=en, wenn eine
Handlung aus Pfli"t ge$"ieht, da ihm a}es materie}e
Princip entzogen worden.

Den dritten Sa{, als Folgerung aus beiden vori-
gen, w|rde i" $o ausdr|#en: Pfli"t i@ die Nothwen-
[15]digkeit einer Handlung aus A"tung f|rs Ge$e{.
Zum Objekte als Wirkung meiner vorhabenden Handlung
kann i" zwar Neigung haben, aber niemals A"tung,
eben darum, weil $ie bloß eine Wirkung und ni"t Th%tig-
keit eines Wi}ens i@. Eben $o kann i" f|r Neigung |ber-
[20]haupt, $ie mag nun meine oder eines andern $eine $eyn, ni"t
A"tung haben, i" kann $ie h~"@ens im er@en Fa}e bi}igen,
im zweyten bisweilen $elb@ lieben, d. i. $ie als meinem eige-
nen Vortheile g|n@ig an$ehen. Nur das, was bloß als
Grund, niemals aber als Wirkung mit meinem Wi}en
[25]verkn|pft i@, was ni"t meiner Neigung dient, $ondern
$ie |berwiegt, wenig@ens die$e von deren Ueber$"lage

14 [4:400]
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bey der Wahl ganz aus$"ließt, mithin das bloße Ge$e{
f|r $i", kann ein Gegen@and der A"tung und hiemit
ein Gebot $eyn. Nun $o} eine Handlung aus Pfli"t
den Einfluß der Neigung, und mit ihr jeden Gegen@and
[5]des Wi}ens ganz ab$ondern, al$o bleibt ni"ts f|r den
Wi}en |brig, was ihn be@immen k~nne, als, objectiv,
das Ge$e{, und $ubjectiv, reine A"tung f|r die$es
practi$"e Ge$e{, mithin die Maxime *), einem $ol"en
Ge$e{e, $elb@ mit Abbru" a}er meiner Neigungen, Fol-
[10]ge zu lei@en.

Es liegt al$o der morali$"e Werth der Handlung
ni"t in der Wirkung, die daraus erwartet wird, al$o
au" ni"t in irgend einem Princip der Handlung, wel-
"es $einen Bewegungsgrund von die$er erwarteten Wir-
[15]kung zu entlehnen bedarf. Denn a}e die$e Wirkungen
(Annehmli"keit $eines Zu@andes, ja gar Bef~rderung
fremder Gl|#$eligkeit) konnten au" dur" andere Ur$a-
"en zu Stande gebra"t werden, und es brau"te al$o
dazu ni"t des Wi}ens eines vern|nftigen We$ens; wor-
[20]in glei"wol das h~"@e und unbedingte Gute a}ein
angetro'en werden kann. Es kann daher ni"ts anders
als die Vor@e}ung des Ge$e{es an $i" $elb@, die

*) Maxime i@ das $ubjective Princip des Wo}ens; das objective
Princip, (d. i. dasjenige, was a}en vern|nftigen We$en au"
[25]$ubjectiv zum practi$"en Princip dienen w|rde, wenn Ver-
nunft vo}e Gewalt |ber das Begehrungsverm~gen h%tte,) i@
das practi$"e Ge$e{.


15 [4:400-401]
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freili" nur im vern|nftigen We$en @att+ndet, $o
fern $ie, ni"t aber die verho'te Wirkung, der Be@im-
mungsgrund des Wi}ens i@, das $o vorz|gli"e Gute,
wel"es wir $ittli" nennen, ausma"en, wel"es in der
[5]Per$on $elb@ $"on gegenw%rtig i@, die darna" handelt,
ni"t aber a}erer@ aus der Wirkung erwartet werden
darf *).

*) Man k~nnte mir vorwerfen, als $u"te i" hinter dem Worte
A"tung nur Zuflu"t in einem dunkelen Gef|hle, an@att
[10]dur" einen Begri' der Vernunft in der Frage deutli"e Aus-
kunft zu geben. A}ein wenn A"tung glei" ein Gef|hl i@,
$o i@ es do" kein dur" Einfluß empfangenes, $ondern dur"
einen Vernunftbegri' $elb@gewirktes Gef|hl und daher von
a}en Gef|hlen der er@eren Art, die $i" auf Neigung oder
[15]Fur"t bringen la=en, $peci+$" unter$"ieden. Was i" un-
mittelbar als Ge$e{ f|r mi" erkenne, erkenne i" mit A"-
tung, wel"e bloß das Bewu@$eyn der Unterordnung meines
Wi}ens unter einem Ge$e{e, ohne Vermittelung anderer Ein-
fl|=e auf meinen Sinn, bedeutet. Die unmittelbare Be@im-
[20]mung des Wi}ens dur"s Ge$e{ und das Bewu@$eyn der$elben
heißt A"tung, $o daß die$e als Wirkung des Ge$e{es aufs
Subject und ni"t als Ur$a"e de=elben ange$ehen wird. Ei-
gentli" i@ A"tung die Vor@e}ung von einem Werthe, der
meiner Selb@liebe Abbru" thut. Al$o i@ es etwas, was we-
[25]der als Gegen@and der Neigung, no" der Fur"t, betra"tet
wird, obglei" es mit beiden zuglei" etwas analogi$"es hat.
Der Gegen@and der A"tung i@ al$o ledigli" das Ge$e{, und
zwar dasjenige, das wir uns $elb@ und do" als an $i" noth-
wendig auferlegen. Als Ge$e{ $ind wir ihm unterworfen, ohne
[30]die Selb@liebe zu befragen; als uns von uns $elb@ auferlegt,
i@ es do" eine Folge un$ers Wi}ens, und hat in der er@en
R|#$i"t Analogie mit Fur"t, in der zweyten mit Neigung.


16 [4:401]
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Was kann das aber wol f|r ein Ge$e{ $eyn, de$-
$en Vor@e}ung, au" ohne auf die daraus erwartete
Wirkung R|#$i"t zu nehmen, den Wi}en be@immen
muß, damit die$er $"le"terdings und ohne Ein$"r%n-
[5]kung gut heißen k~nne? Da i" den Wi}en a}er Antrie-
be beraubet habe, die ihm aus der Befolgung irgend
eines Ge$e{es ent$pringen k~nnten, $o bleibt ni"ts als
die a}gemeine Ge$e{m%ßigkeit der Handlungen |berhaupt
|brig, wel"e a}ein dem Wi}en zum Princip dienen $o},
[10]d. i. i" $o} niemals anders verfahren, als $o, daß i"
au" wo}en k~nne, meine Maxime $o}e ein a}gemei-
nes Ge$e{ werden. Hier i@ nun die bloße Ge$e{m%ßig-
keit |berhaupt, (ohne irgend ein auf gewi=e Handlun-
gen be@immtes Ge$e{ zum Grunde zu legen,) das, was
[15]dem Wi}en zum Princip dient, und ihm au" dazu dienen
muß, wenn Pfli"t ni"t |bera} ein leerer Wahn und
"im%ri$"er Begri' $eyn $o}; hiemit @immt die ge-
meine Men$"envernunft in ihrer practi$"en Beurthei-
lung au" vo}kommen |berein, und hat das geda"te
[20]Princip jederzeit vor Augen.

A}e A"tung f|r eine Per$on i@ eigentli" nur A"tung f|rs
Ge$e{ (der Re"t$"a'enheit &c.), wovon jene uns das Bey$piel
giebt. Weil wir Erweiterung un$erer Talente au" als Pfli"t
an$ehen, $o @e}en wir uns an einer Per$on von Talenten au"
[25]glei"$am das Bey$piel eines Ge$e{es vor (ihr dur" Uebung
hierin %hnli" zu werden) und das ma"t un$ere A"tung aus.
A}es morali$"e $o genannte Intere=e be@eht ledigli" in
der A"tung f|rs Ge$e{.


17 [4:402]
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Die Frage $ey z.B. darf i", wenn i" im Ge-
dr%nge bin, ni"t ein Ver$pre"en thun, in der Ab$i"t,
es ni"t zu halten? I" ma"e hier lei"t den Unter$"ied,
den die Bedeutung der Frage haben kann, ob es kl|g-
[5]li", oder ob es pfli"tm%ßig $ey, ein fal$"es Ver$pre-
"en zu thun. Das er@ere kann ohne Zweifel ~fters
@att+nden. Zwar $ehe i" wol, daß es ni"t gnug
$ey, mi" vermittel@ die$er Ausflu"t aus einer gegenw%r-
tigen Verlegenheit zu ziehen, $ondern wohl |berlegt wer-
[10]den m|=e, ob mir aus die$er L|ge ni"t hinterher viel
gr~ßere Ungelegenheit ent$pringen k~nne, als die $ind,
von denen i" mi" je{t befreye, und, da die Folgen
bey a}er meiner vermeinten S"lauigkeit ni"t $o lei"t
vorauszu$ehen $ind, daß ni"t ein einmal verlohrnes Zu-
[15]trauen mir weit na"theiliger werden k~nnte, als a}es
Uebel, das i" je{t zu vermeiden gedenke, ob es ni"t
kl|gli"er gehandelt $ey, hiebey na" einer a}gemeinen
Maxime zu verfahren, und es $i" zur Gewohnheit zu
ma"en, ni"ts zu ver$pre"en, als in der Ab$i"t, es zu
[20]halten. A}ein es leu"tet mir hier bald ein, daß eine
$ol"e Maxime do" immer nur die be$orgli"en Folgen
zum Grunde habe. Nun i@ es do" etwas ganz anderes,
aus Pfli"t wahrhaft zu $eyn, als aus Be$orgniß der
na"theiligen Folgen; indem im er@en Fa}e, der Be-
[25]gri' der Handlung an $i" $elb@ $"on ein Ge$e{ f|r mi"
enth%lt, im zweyten i" mi" a}erer@ anderw%rtsher
um$ehen muß, wel"e Wirkungen f|r mi" wol damit

18 [4:402]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Er@er Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

verbunden $eyn m~"ten. Denn, wenn i" von dem
Princip der Pfli"t abwei"e, $o i@ es ganz gewiß b~$e;
werde i" aber meiner Maxime der Klugheit abtr|nnig,
$o kann das mir do" man"mal $ehr vortheilhaft $eyn,
[5]wiewol es freyli" $i"erer i@, bey ihr zu bleiben. Um
inde=en mi" in An$ehung der Beantwortung die$er Auf-
gabe, ob ein l|genhaftes Ver$pre"en pfli"tm%ßig $ey,
auf die a}erk|rze@e und do" untr|gli"e Art zu belehren,
$o frage i" mi" $elb@: w|rde i" wol damit zufrieden
[10]$eyn, daß meine Maxime (mi" dur" ein unwahres
Ver$pre"en aus Verlegenheit zu ziehen) als ein a}ge-
meines Ge$e{ ($owol f|r mi" als andere), gelten $o}e,
und w|rde i" wol zu mir $agen k~nnen: es mag jeder-
mann ein unwahres Ver$pre"en thun, wenn er $i" in
[15]Verlegenheit be+ndet, daraus er $i" auf andere Art
ni"t ziehen kann? So werde i" bald inne, daß i" zwar
die L|ge, aber ein a}gemeines Ge$e{ zu l|gen gar ni"t
wo}en k~nne; denn na" einem $ol"en w|rde es eigent-
li" gar kein Ver$pre"en geben, weil es vergebli" w%re,
[20]meinen Wi}en in An$ehung meiner k|nftigen Handlungen
andern vorzugeben, die die$em Vorgeben do" ni"t glau-
ben, oder, wenn $ie es |bereilter Wei$e th%ten, mi"
do" mit glei"er M|nze bezahlen w|rden, mithin meine
Maxime, $o bald $ie zum a}gemeinen Ge$e{e gema"t
[25]w|rde, $i" $elb@ zer@~hren m|=e.

Was i" al$o zu thun habe, damit mein Wo}en
$ittli" gut $ey, darzu brau"e i" gar keine weit ausho-

19 [4:402-403]
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lende S"arf$innigkeit. Unerfahren in An$ehung des
Weltlaufs, unf%hig auf a}e $i" er%ugnende Vorf%}e
de=elben gefaßt zu $eyn, frage i" mi" nur: Kann@ du
au" wo}en, daß deine Maxime ein a}gemeines Ge$e{
[5]werde? wo ni"t, $o i@ $ie verwerfli", und das zwar
ni"t um eines dir, oder au" anderen, daraus bevor-
@ehenden Nachtheils wi}en, $ondern weil $ie ni"t als
Princip in eine m~gli"e a}gemeine Ge$e{gebung pa=en
kann, f|r die$e aber zwingt mir die Vernunft unmittel-
[10]bare A"tung ab, von der i" zwar je{t no" ni"t ein-
$ehe, worauf $ie $i" gr|nde (wel"es der Philo$oph un-
ter$u"en mag), wenig@ens aber do" $o viel ver@ehe:
daß es eine S"%{ung des Werthes $ey, wel"er a}en
Werth de=en, was dur" Neigung angeprie$en wird,
[15]weit |berwiegt, und daß die Nothwendigkeit meiner
Handlungen aus reiner A"tung f|rs practi$"e Ge$e{
dasjenige $ey, was die Pfli"t ausma"t, der jeder an-
dere Bewegungsgrund wei"en muß, weil $ie die Bedin-
gung eines an $i" guten Wi}ens i@, de=en Werth |ber
[20]a}es geht.

So $ind wir denn in der morali$"en Erkenntniß
der gemeinen Men$"envernunft bis zu ihrem Princip
gelangt, wel"es $ie $i" zwar freyli" ni"t $o in einer
a}gemeinen Form abge$ondert denkt, aber do" jederzeit
[25]wirkli" vor Augen hat und zum Ri"tmaaße ihrer Be-
urtheilung brau"t. Es w%re hier lei"t zu zeigen, wie

20 [4:403-404]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Er@er Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

$ie, mit die$em Compa=e in der Hand, in a}en vorkom-
menden F%}en $ehr gut Be$"eid wi=e, zu unter$"eiden,
was gut, was b~$e, pfli"tm%ßig, oder pfli"twidrig
$ey, wenn man, ohne $ie im minde@en etwas neues zu
[5]lehren, $ie nur, wie Socrates that, auf ihr eigenes Prin-
cip aufmerk$am ma"t, und daß es al$o keiner Wi=en-
$"aft und Philo$ophie bed|rfe, um zu wi=en, was man
zu thun habe, um ehrli" und gut, ja $ogar um wei$e
und tugendhaft zu $eyn. Das ließe $i" au" wol $"on
[10]zum voraus vermuthen, daß die Kenntniß de=en, was
zu thun, mithin au" zu wi=en jedem Men$"en obliegt,
au" jedes, $elb@ des gemein@en Men$"en Sa"e $eyn
werde. Hier kann man es do" ni"t ohne Bewun-
derung an$ehen, wie das practi$"e Beurtheilungs-
[15]verm~gen vor dem theoreti$"en im gemeinen Men$"en-
ver@ande $o gar viel voraus habe. In dem le{teren,
wenn die gemeine Vernunft es wagt, von den Erfahrungs-
ge$e{en und den Wahrnehmungen der Sinne abzugehen,
ger%th $ie in lauter Unbegreifli"keiten und Wider$pr|"e
[20]mit $i" $elb@, wenig@ens in ein Chaos von Ungewißheit,
Dunkelheit und Unbe@and. Im practi$"en aber f%ngt
die Beurtheilungskraft denn eben a}erer@ an, $i" re"t
vortheilhaft zu zeigen, wenn der gemeine Ver@and a}e
$innli"e Triebfedern von practi$"en Ge$e{en aus$"ließt.
[25]Er wird alsdenn $o gar $ubtil, es mag $eyn, daß er
mit $einem Gewi=en, oder anderen An$pr|"en in Be-
ziehung auf das, was re"t heißen $o}, "icaniren, oder

21 [4:404]
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au" den Werth der Handlungen zu $einer eigenen Be-
lehrung aufri"tig be@immen wi}, und, was das mei@e
i@, er kann im le{teren Fa}e $i" eben $o gut Ho'nung
ma"en, es re"t zu tre'en, als es $i" immer ein Phi-
[5]lo$oph ver$pre"en mag, ja i@ beynahe no" $i"erer hier-
in, als $elb@ der le{tere, weil die$er do" kein anderes
Princip als jener haben, $ein Urtheil aber, dur"
eine Menge fremder, ni"t zur Sa"e geh~riger Erw%-
gungen, lei"t verwirren und von der geraden Ri"tung
[10]abwei"end ma"en kann. W%re es demna" ni"t rath-
$amer, es in morali$"en Dingen bey dem gemeinen Ver-
nunfturtheil bewenden zu la=en, und h~"@ens nur Phi-
lo$ophie anzubringen, um das Sy@em der Sitten de@o
vo}@%ndiger und faßli"er, imglei"en die Regeln der$el-
[15]ben zum Gebrau"e (no" mehr aber zum Di$putiren)
bequemer darzu@e}en, ni"t aber um $elb@ in practi$"er
Ab$i"t den gemeinen Men$"enver@and von $einer gl|#-
li"en Einfalt abzubringen, und ihn dur" Philo$ophie
auf einen neuen Weg der Unter$u"ung und Belehrung
[20]zu bringen.

Es i@ eine herrli"e Sa"e um die Un$"uld, nur
es i@ au" wiederum $ehr $"limm, daß $ie $i" ni"t wohl
bewahren l%ßt und lei"t verf|hrt wird. Deswegen be-
darf $elb@ die Weisheit — die $on@ wol mehr im Thun
[25]und La=en, als im Wi=en be@eht, — do" au" der
Wi=en$"aft, ni"t um von ihr zu lernen, $ondern ih-

22 [4:404-405]
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rer Vor$"rift Eingang und Dauerhaftigkeit zu ver$"af-
fen. Der Men$" f|hlt in $i" $elb@ ein m%"tiges Ge-
gengewi"t gegen a}e Gebote der Pfli"t, die ihm die
Vernunft $o ho"a"tungsw|rdig vor@e}t, an $einen
[5]Bed|rfni=en und Neigungen, deren ganze Befriedigung
er unter dem Namen der Gl|#$eligkeit zu$ammenfaßt.
Nun gebietet die Vernunft, ohne do" dabey den Neigun-
gen etwas zu verheißen, unna"laßli", mithin glei"$am
mit Zur|#$e{ung und Ni"ta"tung jener $o unge@|men
[10]und dabey $o bi}ig $"einenden An$pr|"e, (die $i" dur"
kein Gebot wo}en aufheben la=en,) ihre Vor$"riften.
Hieraus ent$pringt aber eine nat|rli"e Dialectik, d. i.
ein Hang, wider jene @renge Ge$e{e der Pfli"t zu ver-
n|nfteln, und ihre G|ltigkeit, wenig@ens ihre Reinig-
[15]keit und Strenge in Zweifel zu ziehen, und $ie, wo
m~gli", un$ern W|n$"en und Neigungen angeme=ener
zu ma"en, d. i. $ie im Grunde zu verderben und um ihre
ganze W|rde zu bringen, wel"es denn do" $elb@ die ge-
meine practi$"e Vernunft am Ende ni"t gut heißen kann.

[20]So wird al$o die gemeine Men$"envernunft
ni"t dur" irgend ein Bed|rfniß der Speculation (wel-
"es ihr, $o lange $ie $i" gen|gt, bloße ge$unde Vernunft
zu $eyn, niemals anwandelt), $ondern $elb@ aus practi-
$"en Gr|nden angetrieben, aus ihrem Krei$e zu gehen,
[25]und einen S"ritt ins Feld einer practi$"en Philo$ophie
zu thun, um da$elb@, wegen der Que}e ihres Princips

23 [4:405]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Er@er Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

und ri"tigen Be@immung de=elben in Gegenhaltung mit
den Maximen, die $i" auf Bed|rfniß und Neigung fu-
ßen, Erkundigung und deutli"e Anwei$ung zu bekommen,
damit $ie aus der Verlegenheit wegen beider$eitiger An$pr|-
[5]"e herauskomme, und ni"t Gefahr laufe, dur" die Zwey-
deutigkeit, in die $ie lei"t ger%th, um a}e %"te $ittli"e
Grunds%{e gebra"t zu werden. Al$o ent$pinnt $i" eben
$owol in der practi$"en gemeinen Vernunft, wenn $ie
$i" cultivirt, unvermerkt eine Dialectik, wel"e $ie n~-
[10]thigt, in der Philo$ophie H|lfe zu $u"en, als es ihr im
theoreti$"en Gebrau"e widerf%hrt, und die er@ere wird
daher wol eben $o wenig, als die andere, irgendwo
$on@, als in einer vo}@%ndigen Critik un$erer Vernunft,
Ruhe +nden.


24 [4:405]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Zweyter Ab$"nitt.

Uebergang
von der popul%ren $ittli"en Weltweisheit
zur
[5]
Metaphy$ik der Sitten.

Wenn wir un$ern bisherigen Begri' der Pfli"t aus
dem gemeinen Gebrau"e un$erer practi$"en Ver-
nunft gezogen haben, $o i@ daraus keinesweges zu $"lie-
ßen, als h%tten wir ihn als einen Erfahrungsbegri' be-
[10]handelt. Vielmehr, wenn wir auf die Erfahrung vom
Thun und La=en der Men$"en A"t haben, tre'en wir
h%u+ge, und, wie wir $elb@ einr%umen, gere"te Klagen
an, daß man von der Ge$innung, aus reiner Pfli"t zu
handeln, $o gar keine $i"ere Bey$piele anf|hren k~nne, daß,
[15]wenn glei" man"es dem, was Pfli"t gebietet, gem%ß
ge$"ehen mag, denno" es immer no" zweifelhaft $ey, ob
es eigentli" aus Pfli"t ge$"ehe und al$o einen morali-
$"en Werth habe. Daher es zu a}er Zeit Philo$ophen ge-
geben hat, wel"e die Wirkli"keit die$er Ge$innung in den
[20]men$"li"en Handlungen $"le"terdings abgeleugnet, und al-
les der mehr oder weniger verfeinerten Selb@liebe zuge$"rie-
ben haben, ohne do" deswegen die Ri"tigkeit des Begri's
von Sittli"keit in Zweifel zu ziehen, vielmehr mit innigli-
"em Bedauren der Gebre"li"keit und Unlauterkeit der
[25]men$"li"en Natur Erw%hnung thaten, die zwar edel gnug

25 [4:406]
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$ey, $i" eine $o a"tungsw|rdige Idee zu ihrer Vor-
$"rift zu ma"en, aber zuglei" zu $"wa", um $ie zu be-
folgen, und die Vernunft, die ihr zur Ge$e{gebung die-
nen $o}te, nur dazu brau"t, um das Intere=e der Nei-
[5]gungen, es $ey einzeln, oder, wenn es ho" kommt, in
ihrer gr~ßten Vertr%gli"keit unter einander, zu be$orgen.

In der That i@ es $"le"terdings unm~gli", dur"
Erfahrung einen einzigen Fa} mit v~}iger Gewißheit aus-
zuma"en, da die Maxime einer $on@ pfli"tm%ßigen Hand-
[10]lung ledigli" auf morali$"en Gr|nden und auf der Vor-
@e}ung $einer Pfli"t beruhet habe. Denn es i@ zwar
bisweilen der Fa}, daß wir bey der $"%rf@en Selb@pr|-
fung gar ni"ts antre'en, was außer dem morali$"en
Grunde der Pfli"t m%"tig genug h%tte $eyn k~nnen, uns
[15]zu die$er oder jener guten Handlung und $o großer Auf-
opferung zu bewegen; es kann aber daraus gar ni"t mit
Si"erheit ge$"lo=en werden, daß wirkli" gar kein gehei-
mer Antrieb der Selb@liebe, unter der bloßen Vor$piegelung
jener Idee, die eigentli"e be@immende Ur$a"e des Wil-
[20]lens gewe$en $ey, daf|r wir denn gerne uns mit einem
uns f%l$"li" angemaßten edlern Bewegungsgrunde $"mei-
"eln, in der That aber $elb@ dur" die ange@rengte@e
Pr|fung hinter die geheimen Triebfedern niemals v~l-
lig kommen k~nnen, weil, wenn vom morali$"en Wer-
[25]the die Rede i@, es ni"t auf die Handlungen ankommt,
die man $ieht, $ondern auf jene innere Principien der$el-
ben, die man ni"t $ieht.

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Man kann au" denen, die a}e Sittli"keit, als
bloßes Hirnge$pin@ einer dur" Eigend|nkel $i" $elb@ |ber-
@eigenden men$"li"en Einbildung, verla"en, keinen ge-
w|n$"teren Dien@ thun, als ihnen einzur%umen, daß
[5]die Begri'e der Pfli"t ($o wie man $i" au" aus Ge-
m%"li"keit gerne |berredet, daß es au" mit a}en |bri-
gen Begri'en bewandt $ey,) ledigli" aus der Erfahrung
gezogen werden mußten; denn da bereitet man jenen ei-
nen $i"ern Triumph. I" wi} aus Men$"enliebe einr%u-
[10]men, daß no" die mei@en un$erer Handlungen pfli"tm%-
ßig $eyn; $ieht man aber ihr Ti"ten und Tra"ten n%her
an, $o @~ßt man a}enthalben auf das liebe Selb@, was
immer hervor@i"t, worauf, und ni"t auf das @renge
Gebot der Pfli"t, wel"es mehrmalen Selb@verleugnung
[15]erfodern w|rde, $i" ihre Ab$i"t @|{et. Man brau"t
au" eben kein Feind der Tugend, $ondern nur ein kalt-
bl|tiger Beoba"ter zu $eyn, der den lebhafte@en Wun$"
f|r das Gute ni"t $o fort f|r de=en Wirkli"keit h%lt,
um (vornehmli" mit zunehmenden Jahren und einer dur"
[20]Erfahrung theils gewi{igten, theils zum Beoba"ten ge-
$"%rften Urtheilskraft) in gewi=en Augenbli#en zweifel-
haft zu werden, ob au" wirkli" in der Welt irgend
wahre Tugend angetro'en werde. Und hier kann uns
nun ni"ts f|r den g%nzli"en Abfa} von un$eren Ideen
[25]der Pfli"t bewahren und gegr|ndete A"tung gegen ihr
Ge$e{ in der Seele erhalten, als die klare Ueberzeugung,
daß, wenn es au" niemals Handlungen gegeben habe,

27 [4:407]
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die aus $ol"en reinen Que}en ent$prungen w%ren, den-
no" hier au" davon gar ni"t die Rede $ey, ob dies
oder jenes ge$"ehe, $ondern die Vernunft f|r $i" $elb@
und unabh%ngig von a}en Er$"einungen gebiete, was
[5]ge$"ehen $o}, mithin Handlungen, von denen die Welt
vie}ei"t bisher no" gar kein Bey$piel gegeben hat, an
deren Thunli"keit $ogar der, $o a}es auf Erfahrung
gr|ndet, $ehr zweifeln m~"te, denno" dur" Vernunft
unna"laßli" geboten $ey, und daß z.B. reine Redli"-
[10]keit in der Freund$"aft um ni"ts weniger von jedem
Men$"en gefodert werden k~nne, wenn es glei" bis je{t
gar keinen redli"en Freund gegeben haben m~"te, weil
die$e Pfli"t als Pfli"t |berhaupt, vor a}er Erfahrung,
in der Idee einer den Wi}en dur" Gr|nde a priori be-
[15]@immenden Vernunft liegt.

Se{et man hinzu, daß, wenn man dem Begri'e
von Sittli"keit ni"t gar a}e Wahrheit und Beziehung
auf irgend ein m~gli"es Object be@reiten wi}, man ni"t
in Abrede ziehen k~nne, daß $ein Ge$e{ von $o ausge-
[20]breiteter Bedeutung $ey, daß es ni"t bloß f|r Men$"en,
$ondern a}e vern|nftige We$en |berhaupt, ni"t
bloß unter zuf%}igen Bedingungen und mit Ausnahmen,
$ondern $"le"terdings nothwendig gelten m|=e; $o
i@ klar, daß keine Erfahrung, au" nur auf die M~g-
[25]li"keit $ol"er apodicti$"en Ge$e{e zu $"ließen, Anlaß
geben k~nne. Denn mit wel"em Re"te k~nnen wir das,

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was vie}ei"t nur unter den zuf%}igen Bedingungen der
Men$"heit g|ltig i@, als a}gemeine Vor$"rift f|r jede
vern|nftige Natur, in unbe$"r%nkte A"tung bringen,
und wie $o}en Ge$e{e der Be@immung un$eres Wi}ens,
[5]f|r Ge$e{e der Be@immung des Wi}ens eines vern|nfti-
gen We$ens |berhaupt, und, nur als $ol"e, au" f|r
den un$rigen gehalten werden, wenn $ie bloß empiri$"
w%ren, und ni"t v~}ig a priori aus reiner, aber practi-
$"er Vernunft ihren Ur$prung n%hmen?

[10]Man k~nnte au" der Sittli"keit ni"t |bler rathen,
als wenn man $ie von Bey$pielen entlehnen wo}te. Denn
jedes Bey$piel, was mir davon vorge@e}t wird, muß
$elb@ zuvor na" Principien der Moralit%t beurtheilt wer-
den, ob es au" w|rdig $ey, zum ur$pr|ngli"en Bey$piele, d. i.
[15]zum Mu@er zu dienen, keinesweges aber kann es den
Begri' der$elben zu ober@ an die Hand geben. Selb@
der Heilige des Evangelii muß zuvor mit un$erm Ideal
der $ittli"en Vo}kommenheit vergli"en werden, ehe
man ihn daf|r erkennt; au" $agt er von $i" $elb@: was
[20]nennt ihr mi" (den ihr $ehet) gut, niemand i@ gut
(das Urbild des Guten) als der einige Gott (den ihr ni"t
$ehet). Woher haben wir aber den Begri' von Gott,
als dem h~"@en Gut? Ledigli" aus der Idee, die die
Vernunft a priori von $ittli"er Vo}kommenheit entwirft,
[25]und mit dem Begri'e eines freyen Wi}ens unzertrenn-
li" verkn|pft. Nachahmung +ndet im Sittli"en gar

29 [4:408-409]
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ni"t @att, und Bey$piele dienen nur zur Aufmunterung,
d. i. $ie $e{en die Thunli"keit de=en, was das Ge$e{ ge-
bietet, außer Zweifel, $ie ma"en das, was die practi-
$"e Regel a}gemeiner ausdr|#t, an$"auli", k~nnen
[5]aber niemals bere"tigen, ihr wahres Original, das in
der Vernunft liegt, bey Seite zu $e{en und $i" na"
Bey$pielen zu ri"ten.

Wenn es denn keinen %"ten ober@en Grund$a{
der Sittli"keit giebt, der ni"t unabh%ngig von a}er
[10]Erfahrung bloß auf reiner Vernunft beruhen m|ßte, $o
glaube i", es $ey ni"t n~thig, au" nur zu fragen, ob
es gut $ey, die$e Begri'e, $o wie $ie, $amt den ihnen
zugeh~rigen Principien, a priori fe@@ehen, im a}ge-
meinen (in abstracto) vorzutragen, wofern das Erkennt-
[15]niß $i" vom Gemeinen unter$"eiden und philo$ophi$"
heißen $o}. Aber in un$ern Zeiten m~"te die$es wol
n~thig $eyn. Denn, wenn man Stimmen $ammelte, ob
reine von a}em Empiri$"en abge$onderte Vernunfter-
kenntniß, mithin Metaphy$ik der Sitten, oder popu-
[20]l%re practi$"e Philo$ophie vorzuziehen $ey, $o err%th man
bald, auf wel"e Seite das Uebergewi"t fa}en werde.

Die$e Herabla=ung zu Volksbegri'en i@ a}erdings
$ehr r|hmli", wenn die Erhebung zu den Principien
der reinen Vernunft zuvor ge$"ehen und zur v~}igen Be-
[25]friedigung errei"t i@, und das w|rde heißen, die Leh-

30 [4:409]
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re der Sitten zuvor auf Metaphy$ik gr|nden, ihr aber,
wenn $ie fe@ @eht, na"her dur" Popularit%t Eingang
ver$"a'en. Es i@ aber %ußer@ ungereimt, die$er in
der er@en Unter$u"ung, worauf a}e Ri"tigkeit der
[5]Grunds%{e ankommt, $"on wi}fahren zu wo}en. Ni"t
a}ein, daß die$es Verfahren auf das h~"@ $eltene Ver-
dien@ einer wahren philo$ophi$"en Popularit%t nie-
mals An$pru" ma"en kann, indem es gar keine Kun@
i@, gemeinver@%ndli" zu $eyn, wenn man dabey auf
[10]a}e gr|ndli"e Ein$i"t Verzi"t thut; $o bringt es einen
ekelhaften Mi$"ma$" von zu$ammenge@oppelten Beob-
a"tungen und halbvern|nftelnden Principien zum Vor-
$"ein, daran $i" $"aale K~pfe laben, weil es do" et-
was gar brau"bares f|rs a}t%gli"e Ge$"w%{ i@, wo
[15]Ein$ehende aber Verwirrung f|hlen, und unzufrieden, oh-
ne $i" do" helfen zu k~nnen, ihre Augen wegwenden,
obglei" Philo$ophen, die das Blendwerk ganz wohl dur"-
$"auen, wenig Geh~r +nden, wenn $ie auf einige Zeit von
der vorgebli"en Popularit%t abrufen, um nur a}erer@
[20]na" erworbener be@immter Ein$i"t mit Re"t popul%r
$eyn zu d|rfen.

Man darf nur die Ver$u"e |ber die Sittli"keit
in jenem beliebten Ge$"ma#e an$ehen, $o wird man
bald die be$ondere Be@immung der men$"li"en Natur,
[25](mit unter aber au" die Idee von einer vern|nftigen
Natur |berhaupt,) bald Vo}kommenheit, bald Gl|#$e-

31 [4:409-410]
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ligkeit, hier morali$"es Gef|hl, dort Gottesfur"t, von
die$em etwas, von jenem au" etwas, in wunderbarem
Gemi$"e antre'en, ohne daß man $i" einfa}en l%ßt zu
fragen, ob au" |bera} in der Kenntniß der men$"li"en
[5]Natur (die wir do" nur von der Erfahrung herhaben
k~nnen) die Principien der Sittli"keit zu $u"en $eyn,
und, wenn die$es ni"t i@, wenn die le{tere v~}ig a
priori, frey von a}em Empiri$"en, $"le"terdings in
reinen Vernunftbegri'en und nirgend anders, au" ni"t
[10]dem minde@en Theile na", anzutre'en $eyn, den An-
$"lag zu fa=en, die$e Unter$u"ung als reine practi$"e
Weltweisheit, oder (wenn man einen $o ver$"rieenen
Namen nennen darf) als Metaphy$ik *) der Sitten, lie-
ber ganz abzu$ondern, $ie f|r $i" a}ein zu ihrer ganzen
[15]Vo}@%ndigkeit zu bringen, und das Publicum, das Po-
pularit%t verlangt, bis zum Ausgange die$es Unterneh-
mens zu vertr~@en.

Es i@ aber eine $ol"e v~}ig i$olirte Metaphy-
$ik der Sitten, die mit keiner Anthropologie, mit

[20]*) Man kann, wenn man wi}, ($o wie die reine Mathematik
von der angewandten, die reine Logik von der angewandten
unter$"ieden wird, al$o) die reine Philo$ophie der Sitten (Me-
taphy$ik) von der angewandten (nemli" auf die men$"li"e
Natur) unter$"eiden. Dur" die$e Benennung wird man au"
[25]$o fort erinnert, daß die $ittli"en Principien ni"t auf die Ei-
genheiten der men$"li"en Natur gegr|ndet, $ondern f|r $i"
a priori be@ehend $eyn m|=en, aus $ol"en aber, wie f|r jede
vern|nftige Natur, al$o au" f|r die men$"li"e, practi$"e
Regeln m|=en abgeleitet werden k~nnen.


32 [4:410]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

keiner Theologie, mit keiner Phy$ik, oder Hyperphy$ik,
no" weniger mit verborgenen Qualit%ten (die man hy-
pophy$i$" nennen k~nnte,) vermi$"t i@, ni"t a}ein ein
unentbehrli"es Sub@rat a}er theoreti$"en $i"er be@imm-
[5]ten Erkenntniß der Pfli"ten, $ondern zuglei" ein De$i-
derat von der h~"@en Wi"tigkeit zur wirkli"en Vo}zie-
hung ihrer Vor$"riften. Denn die reine und mit kei-
nem fremden Zu$a{e von empiri$"en Anreizen vermi$"te
Vor@e}ung der Pfli"t, und |berhaupt des $ittli"en Ge-
[10]$e{es, hat auf das men$"li"e Herz dur" den Weg der
Vernunft a}ein (die hiebey zuer@ inne wird, daß $ie
f|r $i" $elb@ au" practi$" $eyn kann,) einen $o viel m%"-
tigern Einfluß, als a}e andere Triebfedern *), die man
aus dem empiri$"en Felde aufbieten mag, daß $ie im
[15]Bewußt$eyn ihrer W|rde die le{teren vera"tet, und na"
und na" ihr Mei@er werden kann; an de=en Statt eine
vermi$"te Sittenlehre, die aus Triebfedern von Gef|h-
len und Neigungen und zuglei" aus Vernunftbegri'en

*) I" habe einen Brief vom $el. vortrefli"en Sulzer, worin er
[20]mi" fr%gt: was do" die Ur$a"e $eyn m~ge, warum die Leh-
ren der Tugend, $o viel Ueberzeugendes $ie au" f|r die Ver-
nunft haben, do" $o wenig ausri"ten. Meine Antwort wurde
dur" die Zur|@ung dazu, um $ie vo}@%ndig zu geben, ver-
$p%tet. A}ein es i@ keine andere, als daß die Lehrer $elb@
[25]ihre Begri'e ni"t ins Reine gebra"t haben, und, indem $ie es
zu gut ma"en wo}en, dadur", daß $ie a}erw%rts Bewegur-
$a"en zum Sittli"guten auftreiben, um die Arzney re"t
kr%ftig zu ma"en, $ie $ie verderben. Denn die gemein@e


33 [4:410-411]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

zu$ammenge$e{t i@, das Gem|th zwi$"en Bewegur$a"en,
die $i" unter kein Princip bringen la=en, die nur $ehr
zuf%}ig zum Guten, ~fters aber au" zum B~$en leiten
k~nnen, $"wankend ma"en muß.

[5]Aus dem angef|hrten erhe}et: daß a}e $ittli"e
Begri'e v~}ig a priori in der Vernunft ihren Si{ und
Ur$prung haben, und die$es zwar in der gemein@en Men-
$"envernunft eben $owol, als der im h~"@en Maaße
$peculativen; daß $ie von keinem empiri$"en und darum
[10]bloß zuf%}igen Erkenntni=e ab@rahirt werden k~nnen; daß
in die$er Reinigkeit ihres Ur$prungs eben ihre W|rde
liege, um uns zu ober@en practi$"en Principien zu dienen;
daß man jedesmal $o viel, als man Empiri$"es hinzu
thut, $o viel au" ihrem %"ten Einflu=e und dem unein-
[15]ge$"r%nkten Werthe der Handlungen en{iehe; daß es
ni"t a}ein die gr~ßte Nothwendigkeit in theoreti$"er
Ab$i"t, wenn es bloß auf Speculation ankommt, er-

Beoba"tung zeigt, daß, wenn man eine Handlung der Re"t-
$"a'enheit vor@e}t, wie $ie von a}er Ab$i"t auf irgend einen
[20]Vortheil, in die$er oder einer andern Welt, abge$ondert, $elb@
unter den gr~ßten Ver$u"ungen der Noth, oder der Anlo#ung,
mit @andhafter Seele ausge|bt worden, $ie jede %hnli"e
Handlung, die nur im minde@en dur" eine fremde Triebfeder
a'icirt war, weit hinter $i" la=e und verdunkle, die Seele
[25]erhebe und den Wun$" errege, au" $o handeln zu k~nnen.
Selb@ Kinder von mittlerem Alter f|hlen die$en Eindru#, und
ihnen $o}te man Pfli"ten au" niemals anders vor@e}en.


34 [4:411]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

fodere, $ondern au" von der gr~ßten practi$"en Wi"-
tigkeit $ey, ihre Begri'e und Ge$e{e aus reiner Ver-
nunft zu $"~pfen, rein und unvermengt vorzutragen, ja
den Umfang die$es ganzen practi$"en oder reinen Ver-
[5]nunfterkenntni=es, d. i. das ganze Verm~gen der rei-
nen practi$"en Vernunft, zu be@immen, hierin aber
ni"t, wie es wol die $peculative Philo$ophie erlaubt,
ja gar bisweilen nothwendig +ndet, die Principien von
der be$ondern Natur der men$"li"en Vernunft abh%ngig
[10]zu ma"en, $ondern darum, weil morali$"e Ge$e{e f|r
jedes vern|nftige We$en |berhaupt gelten $o}en, $ie
$"on aus dem a}gemeinen Begri'e eines vern|nftigen
We$ens |berhaupt abzuleiten, und auf $ol"e Wei$e a}e
Moral, die zu ihrer Anwendung auf Men$"en der An-
[15]thropologie bedarf, zuer@ unabh%ngig von die$er als rei-
ne Philo$ophie, d. i. als Metaphy$ik, vo}@%ndig (wel"es
$i" in die$er Art ganz abge$onderter Erkenntni=e wol
thun l%ßt) vorzutragen, wohl bewußt, daß es, ohne
im Be$i{e der$elben zu $eyn, vergebli" $ey, i" wi} ni"t
[20]$agen, das Morali$"e der Pfli"t in a}em, was pfli"t-
m%ßig i@, genau f|r die $peculative Beurtheilung zu be-
@immen, $ondern $o gar im bloß gemeinen und practi-
$"en Gebrau"e, vornehmli" der morali$"en Unterwei-
$ung, unm~gli" $ey, die Sitten auf ihre %"te Princi-
[25]pien zu gr|nden und dadur" reine morali$"e Ge$innun-
gen zu bewirken und zum h~"@en Weltbe@en den Ge-
m|thern einzupfropfen.

35 [4:411-412]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Um aber in die$er Bearbeitung ni"t bloß von
der gemeinen $ittli"en Beurtheilung (die hier $ehr a"-
tungsw|rdig i@,) zur philo$ophi$"en, wie $on@ ge-
$"ehen i@, $ondern von einer popul%ren Philo$ophie,
[5]die ni"t weiter geht, als $ie dur" Tappen vermit-
tel@ der Bey$piele kommen kann, bis zur Metaphy$ik
(die $i" dur" ni"ts Empiri$"es weiter zur|#halten
l%ßt, und, indem $ie den ganzen Inbegri' der Ver-
nunfterkenntniß die$er Art ausme=en muß, a}en-
[10]fa}s bis zu Ideen geht, wo $elb@ die Bey$piele uns
verla=en,) dur" die nat|rli"en Stu'en for{u$"reiten;
m|=en wir das practi$"e Vernunftverm~gen von $ei-
nen a}gemeinen Be@immungsregeln an, bis dahin, wo
aus ihm der Begri' der Pfli"t ent$pringt, verfol-
[15]gen und deutli" dar@e}en.

Ein jedes Ding der Natur wirkt na" Ge$e{en.
Nur ein vern|nftiges We$en hat das Verm~gen, na"
der Vor@e}ung der Ge$e{e, d. i. na" Principien, zu
handeln, oder einen Wi}en. Da zur Ableitung der Hand-
[20]lungen von Ge$e{en Vernunft erfodert wird, $o i@ der
Wi}e ni"ts anders, als practi$"e Vernunft. Wenn
die Vernunft den Wi}en unausbleibli" be@immt, $o $ind
die Handlungen eines $ol"en We$ens, die als objectiv
nothwendig erkannt werden, au" $ubjectiv nothwendig,
[25]d. i. der Wi}e i@ ein Verm~gen, nur dasjenige zu w%h-
len, was die Vernunft, unabh%ngig von der Neigung,

36 [4:412]
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als practi$" nothwendig, d. i. als gut erkennt. Be-
@immt aber die Vernunft f|r $i" a}ein den Wi}en ni"t
hinl%ngli", i@ die$er no" $ubjectiven Bedingungen (ge-
wi=en Triebfedern) unterworfen, die ni"t immer mit
[5]den objectiven |berein@immen; mit einem Worte, i@ der
Wi}e ni"t an $i" v~}ig der Vernunft gem%ß (wie es
bey Men$"en wirkli" i@); $o $ind die Handlungen, die
objectiv als nothwendig erkannt werden, $ubjectiv zuf%l-
lig, und die Be@immung eines $ol"en Wi}ens, objectiven
[10]Ge$e{en gem%ß, i@ N~thigung; d. i. das Verh%ltniß
der objectiven Ge$e{e zu einem ni"t dur"aus guten Wil-
len wird vorge@e}t als die Be@immung des Wi}ens ei-
nes vern|nftigen We$ens zwar dur" Gr|nde der Ver-
nunft, denen aber die$er Wi}e $einer Natur na" ni"t
[15]nothwendig folgsam i@.

Die Vor@e}ung eines objectiven Princips, $o-
fern es f|r einen Wi}en n~thigend i@, heißt ein Ge-
bot (der Vernunft) und die Formel des Gebots heißt
Imperativ.

[20]A}e Imperativen werden dur" ein So}en ausge-
dru#t, und zeigen dadur" das Verh%ltniß eines objecti-
ven Ge$e{es der Vernunft zu einem Wi}en an, der $ei-
ner $ubjectiven Be$"a'enheit na" dadur" ni"t nothwen-
dig be@immt wird, (eine N~thigung). Sie $agen, daß
[25]etwas zu thun oder zu unterla=en gut $eyn w|rde, a}ein

37 [4:412-413]
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$ie $agen es einem Wi}en, der ni"t immer darum etwas
thut, weil ihm vorge@e}t wird, daß es zu thun gut $ey.
Practi$" gut i@ aber, was vermittel@ der Vor@e}ungen
der Vernunft, mithin ni"t aus $ubjectiven Ur$a"en, $on-
[5]dern objectiv, d. i. aus Gr|nden, die f|r jedes vern|nf-
tige We$en, als ein $ol"es, g|ltig $ind, den Wi}en be-
@immt. Es wird vom Angenehmen unter$"ieden, als
demjenigen, was nur vermittel@ der Emp+ndung aus bloß
$ubjectiven Ur$a"en, die nur f|r die$es oder jenes $einen
[10]Sinn gelten, und ni"t als Princip der Vernunft, das
f|r jedermann gilt, auf den Wi}en Einfluß hat *).

*) Die Abh%ngigkeit des Begehrungsverm~gens von Emp+ndungen
heißt Neigung, und die$e bewei$et al$o jederzeit ein Bed|rfniß.
Die Abh%ngigkeit eines zuf%}ig be@immbaren Wi}ens aber von
[15]Principien der Vernunft heißt ein Intere=e. Die$es +ndet al$o
nur bey einem abh%ngigen Wi}en @att, der ni"t von $elb@ jeder-
zeit der Vernunft gem%ß i@; beym g~ttli"en Wi}en kann man
$i" kein Intere=e gedenken. Aber au" der men$"li"e Wi}e kann
woran ein Intere=e nehmen, ohne darum aus Intere=e zu
[20]handeln. Das er@e bedeutet das practi$"e Intere=e an der
Handlung, das zweyte das pathologi$"e Intere=e am Gegen-
@ande der Handlung. Das er@e zeigt nur Abh%ngigkeit des Wil-
lens von Principien der Vernunft an $i" $elb@, das zweyte von den
Principien der$elben zum Behuf der Neigung an, da nemli" die
[25]Vernunft nur die practi$"e Regel angiebt, wie dem Bed|rfni=e
der Neigung abgeholfen werde. Im er@en Fa}e intere=irt mi"
die Handlung, im zweyten der Gegen@and der Handlung, ($o fern
er mir angenehm i@). Wir haben im er@en Ab$"nitte ge$ehen:
daß bey einer Handlung aus Pfli"t ni"t auf das Intere=e am
[30]Gegen@ande, $ondern bloß an der Handlung $elb@ und ihrem
Princip in der Vernunft (dem Ge$e{) ge$ehen werden m|=e.


38 [4:413-414]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Ein vo}kommen guter Wi}e w|rde al$o eben $o-
wol unter objectiven Ge$e{en (des Guten) @ehen, aber
ni"t dadur" als zu ge$e{m%ßigen Handlungen gen~thigt
vorge@e}t werden k~nnen, weil er von $elb@, na" $einer
[5]$ubjectiven Be$"a'enheit, nur dur" die Vor@e}ung des
Guten be@immt werden kann. Daher gelten f|r den
g~ttli"en und |berhaupt f|r einen heiligen Wi}en keine
Imperativen; das So}en i@ hier am unre"ten Orte,
weil das Wo}en $"on von $elb@ mit dem Ge$e{ noth-
[10]wendig ein@immig i@. Daher $ind Imperativen nur
Formeln, das Verh%ltniß objectiver Ge$e{e des Wo}ens
|berhaupt zu der $ubjectiven Unvo}kommenheit des Wil-
lens die$es oder jenes vern|nftigen We$ens, z.B. des
men$"li"en Wi}ens, auszudr|#en.

[15]A}e Imperativen nun gebieten entweder hypo-
theti$", oder categori$". Jene @e}en die practi$"e
Nothwendigkeit einer m~gli"en Handlung als Mittel zu
etwas anderem, was man wi} (oder do" m~gli" i@, daß
man es wo}e), zu gelangen vor. Der categori$"e Im-
[20]perativ w|rde der $eyn, wel"er eine Handlung als f|r
$i" $elb@, ohne Beziehung auf einen andern Zwe#, als
objectiv-nothwendig vor@e}te.

Weil jedes practi$"e Ge$e{ eine m~gli"e Hand-
lung als gut und darum, f|r ein dur" Vernunft pra-
[25]cti$" be@immbares Subject, als nothwendig vor@e}t, $o

39 [4:414]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

$ind a}e Imperativen Formeln der Be@immung der Hand-
lung, die na" dem Princip eines in irgend einer Art
guten Wi}ens nothwendig i@. Wenn nun die Handlung
bloß wozu anderes, als Mittel, gut $eyn w|rde, $o
[5]i@ der Imperativ hypotheti$"; wird $ie als an $i"
gut vorge@e}t, mithin als nothwendig in einem an $i"
der Vernunft gem%ßen Wi}en, als Princip de=elben, $o
i@ er categori$".

Der Imperativ $agt al$o, wel"e dur" mi" m~g-
[10]li"e Handlung gut w%re, und @e}t die practi$"e Regel in
Verh%ltniß auf einen Wi}en vor, der darum ni"t $ofort
eine Handlung thut, weil $ie gut i@, theils weil das
Subject ni"t immer weiß, daß $ie gut $ey, theils weil,
wenn es die$es au" w|ßte, die Maximen de=elben do"
[15]den objectiven Principien einer practi$"en Vernunft zu-
wider $eyn k~nnten.

Der hypotheti$"e Imperativ $agt al$o nur, daß
die Handlung zu irgend einer m~gli"en oder wirkli"en
Ab$i"t gut $ey. Im er@ern Fa}e i@ er ein proble-
[20]mati$", im zweyten a=ertori$"-practi$"es
Princip. Der categori$"e Imperativ, der die Hand-
lung ohne Beziehung auf irgend eine Ab$i"t, d. i. au"
ohne irgend einen andern Zwe# f|r $i" als objectiv noth-
wendig erkl%rt, gilt als ein apodicti$" (practi$"es)
[25]Princip.

40 [4:414-415]
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Man kann $i" das, was nur dur" Kr%fte irgend
eines vern|nftigen We$ens m~gli" i@, au" f|r irgend
einen Wi}en als m~gli"e Ab$i"t denken, und daher $ind
der Principien der Handlung, $o fern die$e als nothwendig
[5]vorge@e}t wird, um irgend eine dadur" zu bewirkende
m~gli"e Ab$i"t zu errei"en, in der That unendli" viel.
A}e Wi=en$"aften haben irgend einen practi$"en Theil,
der aus Aufgaben be@eht, daß irgend ein Zwe# f|r uns
m~gli" $ey, und aus Imperativen, wie er errei"t wer-
[10]den k~nne. Die$e k~nnen daher |berhaupt Imperativen
der Ge$"i#li"keit heißen. Ob der Zwe# ver-
n|nftig und gut $ey, davon i@ hier gar ni"t die Frage,
$ondern nur was man thun m|=e, um ihn zu errei"en.
Die Vor$"riften f|r den Arzt, um $einen Mann auf
[15]gr|ndli"e Art ge$und zu ma"en, und f|r einen Giftmi$"er,
um ihn $i"er zu t~dten, $ind in $o fern von glei"em Werth,
als eine jede dazu dient, ihre Ab$i"t vo}kommen zu be-
wirken. Weil man in der fr|hen Jugend ni"t weiß,
wel"e Zwe#e uns im Leben auf@oßen d|rften, $o $u"en
[20]Eltern vornehmli" ihre Kinder re"t vielerley lernen zu
la=en, und $orgen f|r die Ge$"i#li"keit im Gebrau"
der Mittel zu a}erley beliebigen Zwe#en, von deren kei-
nem $ie be@immen k~nnen, ob er ni"t etwa wirkli" k|nf-
tig eine Ab$i"t ihres Z~glings werden k~nne, wovon es
[25]inde=en do" m~gli" i@, daß er $ie einmal haben m~"te,
und die$e Sorgfalt i@ $o groß, daß $ie dar|ber gemei-
nigli" verabs%umen, ihnen das Urtheil |ber den Werth

41 [4:415]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

der Dinge, die $ie $i" etwa zu Zwe#en ma"en m~"ten,
zu bilden und zu beri"tigen.

Es i@ glei"wol ein Zwe#, den man bey a}en
vern|nftigen We$en ($o fern Imperative auf $ie, nem-
[5]li" als abh%ngige We$en, pa=en,) als wirkli" voraus$e{en
kann, und al$o eine Ab$i"t, die $ie ni"t etwa bloß haben
k~nnen, $ondern von der man $i"er voraus$e{en kann,
daß $ie $ol"e insge$amt na" einer Naturnothwendigkeit
haben, und das i@ die Ab$i"t auf Gl|#$eligkeit. Der
[10]hypotheti$"e Imperativ, der die practi$"e Nothwendig-
keit der Handlung, als Mittel zur Bef~rderung der Gl|#-
$eligkeit, vor@e}t, i@ a=ertori$". Man darf ihn
ni"t bloß als nothwendig zu einer ungewi=en, bloß m~gli"en
Ab$i"t, vortragen, $ondern zu einer Ab$i"t, die man $i"er und
[15]a priori bey jedem Men$"en voraus$e{en kann, weil
$ie zu $einem We$en geh~rt. Nun kann man die Ge$"i#-
li"keit in der Wahl der Mittel zu $einem eigenen gr~ßten
Wohl$eyn Klugheit *) im eng@en Ver@ande nennen. Al-

*) Das Wort Klugheit wird in zwiefa"em Sinn genommen, ein-
[20]mal kann es den Namen Weltklugheit, im zweyten den der Pri-
vatklugheit f|hren. Die er@e i@ die Ge$"i#li"keit eines Men-
$"en, auf andere Einfluß zu haben, um $ie zu $einen Ab$i"ten
zu gebrau"en. Die zweyte die Ein$i"t, a}e die$e Ab$i"ten zu
$einem eigenen daurenden Vortheil zu vereinigen. Die le{tere
[25]i@ eigentli" diejenige, worauf $elb@ der Werth der er@ern zur|#-
gef|hrt wird, und wer in der er@ern Art klug i@, ni"t aber in
der zweyten, von dem k~nnte man be=er $agen: er i@ ge$"eut
und ver$"lagen, im Ganzen aber do" unklug.


42 [4:415-416]
Ganz Nach ObenInhaltsverzeichnis
Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

$o i@ der Imperativ, der $i" auf die Wahl der Mittel
zur eigenen Gl|#$eligkeit bezieht, d. i., die Vor$"rift
der Klugheit, no" immer hypotheti$"; die Handlung
wird ni"t $"le"thin, $ondern nur als Mittel zu einer
[5]andern Ab$i"t geboten.

Endli" giebt es einen Imperativ, der, ohne
irgend eine andere dur" ein gewi=es Verhalten zu errei-
"ende Ab$i"t als Bedingung zum Grunde zu legen, die-
$es Verhalten unmittelbar gebietet. Die$er Imperativ
[10]i@ categori$". Er betrift ni"t die Materie der
Handlung und das, was aus ihr erfolgen $o}, $ondern
die Form und das Princip, woraus $ie $elb@ folgt, und
das We$entli"-Gute der$elben be@eht in der Ge$innung,
der Erfolg mag $eyn, wel"er er wo}e. Die$er Impera-
[15]tiv mag der der Sittli"keit heißen.

Das Wo}en na" die$en dreyerley Principien wird
au" dur" die Unglei"heit der N~thigung des Wi}ens
deutli" unter$"ieden. Um die$e nun au" merkli" zu
ma"en, glaube i", daß man $ie in ihrer Ordnung am
[20]angeme=en@en $o benennen w|rde, wenn man $agte: $ie
w%ren entweder Regeln der Ge$"i#li"keit, oder Rath-
$"l%ge der Klugheit, oder Gebote (Ge$e{e) der Sitt-
li"keit. Denn nur das Ge$e{ f|hrt den Begri' einer
unbedingten und zwar objectiven und mithin a}gemein
[25]g|ltigen Nothwendigkeit bey $i", und Gebote $ind Ge-

43 [4:416]
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$e{e, denen gehor"t, d. i. au" wider Neigung Folge
gelei@et werden muß. Die Rathgebung enth%lt zwar
Nothwendigkeit, die aber bloß unter $ubjectiver gef%}iger
Bedingung, ob die$er oder jener Men$" die$es oder je-
[5]nes zu $einer Gl|#$eligkeit z%hle, gelten kann; dagegen
der categori$"e Imperativ dur" keine Bedingung einge-
$"r%nkt wird, und als ab$olut- obglei" practi$"-noth-
wendig ganz eigentli" ein Gebot heißen kann. Man
k~nnte die er@eren Imperative au" te"ni$" (zur Kun@
[10]geh~rig), die zweyten pragmati$" *) (zur Wohlfahrt),
die dritten morali$" (zum freyen Verhalten |berhaupt,
d. i. zu den Sitten geh~rig) nennen.

Nun ent@eht die Frage: wie $ind a}e die$e Impe-
rative m~gli"? Die$e Frage verlangt ni"t zu wi=en,
[15]wie die Vo}ziehung der Handlung, wel"e der Impera-
tiv gebietet, $ondern wie bloß die N~thigung des Wi}ens,
die der Imperativ in der Aufgabe ausdr|#t, geda"t
werden k~nne. Wie ein Imperativ der Ge$"i#li"keit
m~gli" $ey, bedarf wol keiner be$ondern Er~rterung.
[20]Wer den Zwe# wi}, wi} ($o fern die Vernunft auf $ei-

*) Mi" deu"t, die eigentli"e Bedeutung des Worts pragmati$"
k~nne $o am genaue@en be@immt werden. Denn pragmati$"
werden die Sanctionen genannt, wel"e eigentli" ni"t aus
dem Re"te der Staaten, als nothwendige Ge$e{e, $ondern
[25]aus der Vor$orge f|r die a}gemeine Wohlfahrt fließen.
Pragmati$" i@ eine Ge$"i"te abgefaßt, wenn $ie klug ma"t,
d. i. die Welt belehrt, wie $ie ihren Vortheil be=er, oder we-
nig@ens eben $o gut, als die Vorwelt, be$orgen k~nne.


44 [4:416-417]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

ne Handlungen ent$"eidenden Einfluß hat,) au" das dazu
unentbehrli" nothwendige Mittel, das in $einer Gewalt
i@. Die$er Sa{ i@, was das Wo}en betri't, analy-
ti$"; denn in dem Wo}en eines Objects, als meiner
[5]Wirkung, wird $"on meine Caußalit%t, als handelnder
Ur$a"e, d. i. der Gebrau" der Mittel, geda"t, und
der Imperativ zieht den Begri' nothwendiger Handlun-
gen zu die$em Zwe#e $"on aus dem Begri' eines Wol-
lens die$es Zwe#s heraus, (die Mittel $elb@ zu einer vor-
[10]ge$e{ten Ab$i"t zu be@immen, dazu geh~ren a}erdings
$yntheti$"e S%{e, die aber ni"t den Grund betre'en, den
Actus des Wi}ens, $ondern das Object wirkli" zu ma"en).
Daß, um eine Linie na" einem $i"ern Princip in zwey
glei"e Theile zu theilen, i" aus den Enden der$elben
[15]zwey Kreuzbogen ma"en m|=e, das lehrt die Mathema-
tik freyli" nur dur" $yntheti$"e S%{e; aber daß, wenn
i" weiß, dur" $ol"e Handlung a}ein k~nne die geda"-
te Wirkung ge$"ehen, i", wenn i" die Wirkung vo}-
@%ndig wi}, au" die Handlung wo}e, die dazu erfoder-
[20]li" i@, i@ ein analyti$"er Sa{; denn etwas als eine
auf gewi=e Art dur" mi" m~gli"e Wirkung, und mi",
in An$ehung ihrer, auf die$elbe Art handelnd vor@e}en,
i@ ganz einerley.

Die Imperativen der Klugheit w|rden, wenn es
[25]nur $o lei"t w%re, einen be@immten Begri' von Gl|#-
$eligkeit zu geben, mit denen der Ge$"i#li"keit ganz

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und gar |bereinkommen, und eben $owol analyti$"
$eyn. Denn es w|rde eben $owol hier, als dort,
heißen: wer den Zwe# wi}, wi} au" (der Vernunft
gem%ß nothwendig) die einzigen Mittel, die dazu in $ei-
[5]ner Gewalt $ind. A}ein es i@ ein Ungl|#, daß der
Begri' der Gl|#$eligkeit ein $o unbe@immter Begri' i@,
daß, obglei" jeder Men$" zu die$er zu gelangen w|n$"t,
er do" niemals be@immt und mit $i" $elb@ ein@immig
$agen kann, was er eigentli" w|n$"e und wo}e. Die
[10]Ur$a"e davon i@: daß a}e Elemente, die zum Begri'
der Gl|#$eligkeit geh~ren, insge$amt empiri$" $ind,
d. i. aus der Erfahrung m|=en entlehnt werden, daß
glei"wol zur Idee der Gl|#$eligkeit ein ab$olutes Gan-
ze, ein Maximum des Wohlbe+ndens, in meinem gegen-
[15]w%rtigen und jedem zuk|nftigen Zu@ande erforderli" i@.
Nun i@s unm~gli", daß das ein$ehend@e und zuglei"
a}erverm~gend@e, aber do" endli"e We$en $i" einen
be@immten Begri' von dem ma"e, was er hier eigent-
li" wo}e. Wi} er Rei"thum, wie viel Sorge, Neid und
[20]Nach@e}ung k~nnte er $i" dadur" ni"t auf den Hals
ziehen. Wi} er viel Erkenntniß und Ein$i"t, vie}ei"t
k~nnte das ein nur um de@o $"%rferes Auge werden, um
die Uebel, die $i" f|r ihn je{t no" verbergen und do"
ni"t vermieden werden k~nnen, ihm nur um de@o $"re#-
[25]li"er zu zeigen, oder $einen Begierden, die ihm $"on
genug zu $"a'en ma"en, no" mehr Bed|rfni=e aufzu-
b|rden. Wi} er ein langes Leben, wer @eht ihm da-

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f|r, daß es ni"t ein langes Elend $eyn w|rde? Wi}
er wenig@ens Ge$undheit, wie oft hat no" Ungem%"-
li"keit des K~rpers von Au="weifung abgehalten, dar-
ein unbe$"r%nkte Ge$undheit w|rde haben fa}en la=en,
[5]u. s. w. Kurz, er i@ ni"t verm~gend, na" irgend einem
Grund$a{e, mit v~}iger Gewißheit zu be@immen, was
ihn wahrhaftig gl|#li" ma"en werde, darum, weil hie-
zu A}wi=enheit erforderli" $eyn w|rde. Man kann al$o
ni"t na" be@immten Principien handeln, um gl|#li"
[10]zu $eyn, $ondern nur na" empiri$"en Rath$"l%gen, z.
B. der Di%t, der Spar$amkeit, der H~fli"keit, der Zu-
r|#haltung u. s. w. von wel"en die Erfahrung lehrt,
daß $ie das Wohlbe+nden im Dur"$"nitt am mei@en
bef~rdern. Hieraus folgt, daß die Imperativen der
[15]Klugheit, genau zu reden, gar ni"t gebieten, d. i. Hand-
lungen objectiv als practi$"-nothwendig dar@e}en k~n-
nen, daß $ie eher f|r Anrathungen (consilia) als Gebote
(praecepta) der Vernunft zu halten $ind, daß die Auf-
gabe: $i"er und a}gemein zu be@immen, wel"e Hand-
[20]lung die Gl|#$eligkeit eines vern|nftigen We$ens bef~r-
dern werde, v~}ig unaufl~sli", mithin kein Imperativ
in An$ehung der$elben m~gli" $ey, der im @rengen Ver-
@ande geb~te, das zu thun, was gl|#li" ma"t, weil
Gl|#$eligkeit ni"t ein Ideal der Vernunft, $ondern der
[25]Einbildungskraft i@, was bloß auf empiri$"en Gr|nden
beruht, von denen man vergebli" erwartet, daß $ie eine
Handlung be@immen $o}ten, dadur" die Totalit%t einer

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in der That unendli"en Reihe von Folgen errei"t w|r-
de. Die$er Imperativ der Klugheit w|rde inde=en,
wenn man annimmt, die Mittel zur Gl|#$eligkeit ließen
$i" $i"er angeben, ein analyti$"-practi$"er Sa{ $eyn;
[5]denn er i@ von dem Imperativ der Ge$"i#li"keit nur
darin unter$"ieden, daß bey die$em der Zwe# bloß m~g-
li", bey jenem aber gegeben i@: da beide aber bloß die
Mittel zu demjenigen gebieten, von dem man voraus$e{t,
daß man es als Zwe# wo}te; $o i@ der Imperativ, der
[10]das Wo}en der Mittel f|r den, der den Zwe# wi}, ge-
bietet, in beiden F%}en analyti$". Es i@ al$o in An-
$ehung der M~gli"keit eines $ol"en Imperativs au" kei-
ne S"wierigkeit.

Dagegen, wie der Imperativ der Sittli"keit m~g-
[15]li" $ey, i@ ohne Zweifel die einzige einer Aufl~$ung be-
d|rftige Frage, da er gar ni"t hypotheti$" i@ und al$o
die objectiv-vorge@e}te Nothwendigkeit $i" auf keine
Voraus$e{ung @|{en kann, wie bey den hypotheti$"en
Imperativen. Nur i@ immer hiebey ni"t aus der A"t
[20]zu la=en, daß es dur" kein Bey$piel, mithin empiri$"
auszuma"en $ey, ob es |bera} irgend einen derglei"en
Imperativ gebe, $ondern zu be$orgen, daß a}e, die ca-
tegori$" $"einen, do" ver@e#ter Wei$e hypotheti$" $eyn
m~gen. Z.B. wenn es heißt: du $o}t ni"ts betr|gli"
[25]ver$pre"en; und man nimmt an, daß die Nothwendigkeit
die$er Unterla=ung ni"t etwa bloße Rathgebung zu Ver-

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meidung irgend eines andern Uebels $ey, $o daß es etwa
hieße: du $o}t ni"t l|genhaft ver$pre"en, damit du
ni"t, wenn es o'enbar wird, di" um den Credit
bringe@; $ondern eine Handlung die$er Art m|=e f|r
[5]$i" $elb@ als b~$e betra"tet werden, der Imperativ
des Verbots $ey al$o categori$"; $o kann man do"
in keinem Bey$piel mit Gewißheit darthun, daß der
Wi}e hier ohne andere Triebfeder, bloß dur"s Ge-
$e{, be@immt werde, ob es glei" $o $"eint; denn es
[10]i@ immer m~gli", daß ingeheim Fur"t f|r Be$"%mung,
vie}ei"t au" dunkle Be$orgniß anderer Gefahren, Ein-
fluß auf den Wi}en haben m~ge. Wer kann das Ni"t-
$eyn einer Ur$a"e dur" Erfahrung bewei$en, da die$e
ni"ts weiter lehrt, als daß wir jene ni"t wahrnehmen?
[15]Auf $ol"en Fa} aber w|rde der $ogenannte morali$"e
Imperativ, der als ein $ol"er categori$" und unbedingt
er$"eint, in der That nur eine pragmati$"e Vor$"rift
$eyn, die uns auf un$ern Vortheil aufmerk$am ma"t, und
uns bloß lehrt, die$en in A"t zu nehmen.

[20]Wir werden al$o die M~gli"keit eines categori-
$"en Imperativs g%nzli" a priori zu unter$u"en haben,
da uns hier der Vortheil ni"t zu @atten kommt, daß die
Wirkli"keit de=elben in der Erfahrung gegeben, und al-
$o die M~gli"keit ni"t zur Fe@$e{ung, $ondern bloß zur
[25]Erkl%rung n~thig w%re. So viel i@ inde=en vorl%u+g ein-
zu$ehen: daß der categori$"e Imperativ a}ein als ein

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practi$"es Ge$e{ laute, die |brigen insge$amt zwar
Principien des Wi}ens, aber ni"t Ge$e{e heißen k~n-
nen; weil, was bloß zur Errei"ung einer beliebigen Ab-
$i"t zu thun nothwendig i@, an $i" als zuf%}ig betra"tet
[5]werden kann, und wir von der Vor$"rift jederzeit los
$eyn k~nnen, wenn wir die Ab$i"t aufgeben, dahingegen
das unbedingte Gebot dem Wi}en kein Belieben in An$e-
hung des Gegentheils frey l%ßt, mithin a}ein diejenige
Nothwendigkeit bey $i" f|hrt, wel"e wir zum Ge$e{e
[10]verlangen.

Zweytens i@ bey die$em categori$"en Imperativ
oder Ge$e{e der Sittli"keit der Grund der S"wierigkeit
(die M~gli"keit de=elben einzu$ehen,) au" $ehr groß. Er
i@ ein $yntheti$"-practi$"er Sa{ *) a priori, und da
[15]die M~gli"keit der S%{e die$er Art einzu$ehen $o viel
S"wierigkeit im theoreti$"en Erkenntni=e hat, $o l%ßt
$i" lei"t abnehmen, daß $ie im practi$"en ni"t weniger
haben werde.

*) I" verkn|pfe mit dem Wi}en, ohne vorausge$e{te Bedingung
[20]aus irgend einer Neigung, die That, a priori, mithin noth-
wendig, (obglei" nur objectiv, d. i. unter der Idee einer Vernunft,
die |ber a}e $ubjective Bewegur$a"en v~}ige Gewalt h%tte).
Die$es i@ al$o ein practi$"er Sa{, der das Wo}en einer Hand-
lung ni"t aus einem anderen $"on vorausge$e{ten analyti$"
[25]ableitet, (denn wir haben keinen $o vo}kommenen Wi}en,)
$ondern mit dem Begri'e des Wi}ens als eines vern|nftigen
We$ens unmittelbar, als etwas, das in ihm ni"t enthalten
i@, verkn|pft.


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Bey die$er Aufgabe wo}en wir zuer@ ver$u"en, ob
ni"t vie}ei"t der bloße Begri' eines categori$"en Impe-
rativs au" die Formel de=elben an die Hand gebe, die
den Sa{ enth%lt, der a}ein ein categori$"er Imperativ
[5]$eyn kann; denn wie ein $ol"es ab$olutes Gebot m~gli"
$ey, wenn wir au" glei" wi=en, wie es lautet, wird
no" be$ondere und $"were Bem|hung erfodern, die wir
aber zum le{ten Ab$"nitte aus$e{en.

Wenn i" mir einen hypotheti$"en Imperativ |ber-
[10]haupt denke, $o weiß i" ni"t zum voraus, was er ent-
halten werde: bis mir die Bedingung gegeben i@. Denke
i" mir aber einen categori$"en Imperativ, $o weiß
i" $ofort, was er enthalte. Denn da der Imperativ
außer dem Ge$e{e nur die Nothwendigkeit der Maxime *)
[15]enth%lt, die$em Ge$e{e gem%ß zu $eyn, das Ge$e{ aber
keine Bedingung enth%lt, auf die es einge$"r%nkt war,
$o bleibt ni"ts, als die A}gemeinheit eines Ge$e{es |ber-
haupt |brig, wel"em die Maxime der Handlung gem%ß

*) Maxime i@ das $ubjective Princip zu handeln, und muß vom
[20]objectiven Princip, nemli" dem practi$"en Ge$e{e, unter-
$"ieden werden. Jene enth%lt die practi$"e Regel, die die
Vernunft den Bedingungen des Subjects gem%ß (~fters der
Unwi=enheit oder au" den Neigungen de=elben) be@immt,
und i@ al$o der Grund$a{, na" wel"em das Subject han-
[25]delt; das Ge$e{ aber i@ das objective Princip, g|ltig f|r jedes
vern|nftige We$en, und der Grund$a{, na" dem es handeln
$o}, d. i. ein Imperativ.


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$eyn $o}, und wel"e Gem%ßheit a}ein den Imperativ ei-
gentli" als nothwendig vor@e}t.

Der categori$"e Imperativ i@ al$o nur ein einziger,
und zwar die$er: handle nur na" derjenigen Maxi-
[5]me, dur" die du zuglei" wo}en kann@, daß $ie
ein a}gemeines Ge$e{ werde.

Wenn nun aus die$em einigen Imperativ a}e Im-
perativen der Pfli"t, als aus ihrem Princip, abgeleitet
werden k~nnen, $o werden wir, ob wir es glei" unaus-
[10]gema"t la=en, ob ni"t |berhaupt das, was man Pfli"t
nennt, ein leerer Begri' $ey, do" wenig@ens anzeigen
k~nnen, was wir dadur" denken und was die$er
Begri' $agen wo}e.

Weil die A}gemeinheit des Ge$e{es, worna" Wir-
[15]kungen ge$"ehen, dasjenige ausma"t, was eigentli"
Natur im a}gemein@en Ver@ande (der Form na"),
d. i. das Da$eyn der Dinge, heißt, $o fern es na" a}-
gemeinen Ge$e{en be@immt i@, $o k~nnte der a}gemeine
Imperativ der Pfli"t au" $o lauten: handle $o, als
[20]ob die Maxime deiner Handlung dur" deinen
Wi}en zum a}gemeinen Naturge$e{e
werden $o}te.

Nun wo}en wir einige Pfli"ten herz%hlen, na"
der gew~hnli"en Eintheilung der$elben, in Pfli"ten ge-

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gen uns $elb@ und gegen andere Men$"en, in vo}kom-
mene und unvo}kommene Pfli"ten *).

1) Einer, der dur" eine Reihe von Uebeln, die
bis zur Ho'nungslo$igkeit angewa"$en i@, einen Ueber-
[5]druß am Leben emp+ndet, i@ no" $o weit im Be$i{e $ei-
ner Vernunft, daß er $i" $elb@ fragen kann, ob es au"
ni"t etwa der Pfli"t gegen $i" $elb@ zuwider $ey, $i"
das Leben zu nehmen. Nun ver$u"t er: ob die Maxi-
me $einer Handlung wol ein a}gemeines Naturge$e{
[10]werden k~nne. Seine Maxime aber i@: i" ma"e es
mir aus Selb@liebe zum Princip, wenn das Leben
bey $einer l%ngern Fri@ mehr Uebel droht, als es An-
nehmli"keit ver$pri"t, es mir abzuk|rzen. Es fr%gt
$i" nur no", ob die$es Princip der Selb@liebe ein a}ge-
[15]meines Naturge$e{ werden k~nne. Da $ieht man aber
bald, daß eine Natur, deren Ge$e{ es w%re, dur" die-
$elbe Emp+ndung, deren Be@immung es i@, zur Bef~r-

*) Man muß hier wohl merken, daß i" die Eintheilung der Pfli"-
ten f|r eine k|nftige Metaphy$ik der Sitten mir g%nzli"
[20]vorbehalte, die$e hier al$o nur als beliebig (um meine Bey-
$piele zu ordnen) da@ehe. Uebrigens ver@ehe i" hier unter
einer vo}kommenen Pfli"t diejenige, die keine Ausnahme zum
Vortheil der Neigung ver@attet, und da habe i" ni"t bloß
%ußere, $ondern au" innere vo}kommene Pfli"ten, wel-
[25]"es dem in S"ulen angenommenen Wortgebrau" zuwider
l%uft, i" aber hier ni"t zu verantworten gemeynet bin, weil
es zu meiner Ab$i"t einerley i@, ob man es mir einr%umt,
oder ni"t.


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derung des Lebens anzutreiben, das Leben $elb@ zu zer-
@~hren, ihr $elb@ wider$pre"en und al$o ni"t als Na-
tur be@ehen w|rde, mithin jene Maxime unm~gli" als
a}gemeines Naturge$e{ @att+nden k~nne, und folgli"
[5]dem ober@en Princip a}er Pfli"t g%nzli" wider@reite.

2) Ein anderer $ieht $i" dur" Noth gedrungen,
Geld zu borgen. Er weiß wol, daß er ni"t wird be-
zahlen k~nnen, $ieht aber au", daß ihm ni"ts geliehen
werden wird, wenn er ni"t ve@igli" ver$pri"t, es zu
[10]einer be@immten Zeit zu bezahlen. Er hat Lu@, ein $ol-
"es Ver$pre"en zu thun; no" aber hat er $o viel Ge-
wi=en, $i" zu fragen: i@ es ni"t unerlaubt und pfli"t-
widrig, $i" auf $ol"e Art aus Noth zu helfen? Ge$e{t,
er be$"l~=e es do", $o w|rde $eine Maxime der Hand-
[15]lung $o lauten: wenn i" mi" in Geldnoth zu $eyn glau-
be, $o wi} i" Geld borgen, und ver$pre"en es zu bezah-
len, ob i" glei" weiß, es werde niemals ge$"ehen.
Nun i@ die$es Princip der Selb@liebe, oder der eigenen
Zutr%gli"keit, mit meinem ganzen k|nftigen Wohlbe+n-
[20]den vie}ei"t wol zu vereinigen, a}ein je{t i@ die Fra-
ge: ob es re"t $ey? I" verwandle al$o die Zumuthung
der Selb@liebe in ein a}gemeines Ge$e{, und ri"te die Fra-
ge $o ein: wie es dann @ehen w|rde, wenn meine
Maxime ein a}gemeines Ge$e{ w|rde. Da $ehe i" nun
[25]$oglei", daß $ie niemals als a}gemeines Naturge$e{ gel-
ten und mit $i" $elb@ zu$ammen@immen k~nne, $ondern

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$i" nothwendig wider$pre"en m|=e. Denn die A}ge-
meinheit eines Ge$e{es, daß jeder, na"dem er in Noth
zu $eyn glaubt, ver$pre"en k~nne, was ihm einf%}t,
mit dem Vor$a{, es ni"t zu halten, w|rde das Ver$pre-
[5]"en und den Zwe#, den man damit haben mag, $elb@
unm~gli" ma"en, indem niemand glauben w|rde, daß
ihm was ver$pro"en $ey, $ondern |ber a}e $ol"e Aeuße-
rung, als eitles Vorgeben, la"en w|rde.

3) Ein dritter +ndet in $i" ein Talent, wel"es
[10]vermittel@ einiger Cultur ihn zu einem in a}erley Ab$i"t
brau"baren Men$"en ma"en k~nnte. Er $ieht $i" aber
in bequemen Um@%nden, und zieht vor, lieber dem Vergn|-
gen na"zuh%ngen, als $i" mit Erweiterung und Ver-
be=erung $einer gl|#li"en Naturanlagen zu bem|hen.
[15]No" fr%gt er aber: ob, außer der Ueberein@immung,
die $eine Maxime der Verwahrlo$ung $einer Naturgaben
mit $einem Hange zur Erg~{li"keit an $i" hat, $ie au"
mit dem, was man Pfli"t nennt, |berein@imme. Da
$ieht er nun, daß zwar eine Natur na" einem $ol"en
[20]a}gemeinen Ge$e{e immer no" be@ehen k~nne, obglei"
der Men$" ($o wie die S|d$ee-Einwohner,) $ein Talent
ro@en ließe, und $ein Leben bloß auf M|ßiggang, Er-
g~{li"keit, Fortpflanzung, mit einem Wort, auf Genuß
zu verwenden beda"t w%re; a}ein er kann unm~gli"
[25]wo}en, daß die$es ein a}gemeines Naturge$e{ werde,
oder als ein $ol"es in uns dur" Naturin@inkt gelegt

55 [4:422-423]
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$ey. Denn als ein vern|nftiges We$en wi} er nothwendig,
daß a}e Verm~gen in ihm entwi#elt werden, weil $ie ihm do"
zu a}erley m~gli"en Ab$i"ten dienli" und gegeben $ind.

No" denkt ein vierter, dem es wohl geht, inde=en
[5]er $ieht, daß andere mit großen M|h$eligkeiten zu k%m-
pfen haben (denen er au" wol helfen k~nnte): was
gehts mi" an? mag do" ein jeder $o gl|#li" $eyn, als
es der Himmel wi}, oder er $i" $elb@ ma"en kann, i"
werde ihm ni"ts en{iehen, ja ni"t einmal beneiden;
[10]nur zu $einem Wohlbe+nden, oder $einem Bey@ande in der
Noth, habe i" ni"t Lu@ etwas beyzutragen! Nun k~nn-
te a}erdings, wenn eine $ol"e Denkungsart ein a}ge-
meines Naturge$e{ w|rde, das men$"li"e Ge$"le"t gar
wol be@ehen, und ohne Zweifel no" be=er, als wenn
[15]jedermann von Theilnehmung und Wohlwo}en $"wa{t,
au" $i" beeifert, gelegentli" derglei"en auszu|ben, da-
gegen aber au", wo er nur kann, betr|gt, das Re"t
der Men$"en verkauft, oder ihm $on@ Abbru" thut.
Aber, obglei" es m~gli" i@, daß na" jener Maxime
[20]ein a}gemeines Naturge$e{ wol be@ehen k~nnte; $o i@
es do" unm~gli", zu wo}en, daß ein $ol"es Princip
als Naturge$e{ a}enthalben gelte. Denn ein Wi}e, der
die$es be$"l~=e, w|rde $i" $elb@ wider@reiten, indem
der F%}e $i" do" man"e er%ugnen k~nnen, wo er ande-
[25]rer Liebe und Theilnehmung bedarf, und wo er, dur"
ein $ol"es aus $einem eigenen Wi}en ent$prungenes Na-

56 [4:423]
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turge$e{, $i" $elb@ a}e Ho'nung des Bey@andes, den
er $i" w|n$"t, rauben w|rde.

Die$es $ind nun einige von den vielen wirkli"en
oder wenig@ens von uns daf|r gehaltenen Pfli"ten, deren
[5]Abtheilung aus dem einigen angef|hrten Princip klar in
die Augen f%}t. Man muß wo}en k~nnen, daß eine
Maxime un$erer Handlung ein a}gemeines Ge$e{ werde:
dies i@ der Canon der morali$"en Beurtheilung der$elben
|berhaupt. Einige Handlungen $ind $o be$"a'en, daß
[10]ihre Maxime ohne Wider$pru" ni"t einmal als a}ge-
meines Naturge$e{ geda"t werden kann; weit gefehlt,
daß man no" wo}en k~nne, es $o}te ein $ol"es werden.
Bey andern i@ zwar jene innere Unm~gli"keit ni"t anzu-
tre'en, aber es i@ do" unm~gli", zu wo}en, daß ih-
[15]re Maxime zur A}gemeinheit eines Naturge$e{es erhoben
werde, weil ein $ol"er Wi}e $i" $elb@ wider$pre"en
w|rde. Man $ieht lei"t: daß die er@ere der @rengen
oder engeren (unna"laßli"en) Pfli"t, die zweyte nur
der weiteren (verdien@li"en) Pfli"t wider@reite, und
[20]$o a}e Pfli"ten, was die Art der Verbindli"keit (ni"t
das Object ihrer Handlung) betri't, dur" die$e Bey$pie-
le in ihrer Abh%ngigkeit von dem einigen Princip vo}@%n-
dig aufge@e}t worden.

Wenn wir nun auf uns $elb@ bey jeder Uebertre-
[25]tung einer Pfli"t A"t haben, $o +nden wir, daß wir

57 [4:423-424]
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wirkli" ni"t wo}en, es $o}e un$ere Maxime ein a}ge-
meines Ge$e{ werden, denn das i@ uns unm~gli", $on-
dern das Gegentheil der$elben $o} vielmehr a}gemein ein
Ge$e{ bleiben; nur nehmen wir uns die Freyheit, f|r
[5]uns, oder (au" nur f|r die$esmal) zum Vortheil un$e-
rer Neigung, davon eine Ausnahme zu ma"en. Folg-
li", wenn wir a}es aus einem und dem$elben Ge$i"ts-
puncte, nemli" der Vernunft, erw~gen, $o w|rden
wir einen Wider$pru" in un$erm eigenen Wi}en antref-
[10]fen, nemli", daß ein gewi=es Princip objectiv als a}ge-
meines Ge$e{ nothwendig $ey und do" $ubjectiv ni"t
a}gemein gelten, $ondern Ausnahmen ver@atten $o}te.
Da wir aber einmal un$ere Handlung aus dem Ge$i"ts-
puncte eines ganz der Vernunft gem%ßen, dann aber
[15]au" eben die$elbe Handlung aus dem Ge$i"t$puncte ei-
nes dur" Neigung a'icirten Wi}ens betra"ten, $o i@
wirkli" hier kein Wider$pru", wol aber ein Wider-
@and der Neigung gegen die Vor$"rift der Vernunft,
(antagonismus) wodur" die A}gemeinheit des Princips
[20](universalitas) in eine bloße Gemeing|ltigkeit (genera-
litas) verwandelt wird, dadur" das practi$"e Vernunft-
princip mit der Maxime auf dem halben Wege zu$am-
menkommen $o}. Ob nun die$es glei" in un$erm eige-
nen unparteyi$" ange@e}ten Urtheile ni"t gere"tferti-
[25]get werden kann, $o bewei$et es do", daß wir die G|l-
tigkeit des categori$"en Imperativs wirkli" anerkennen,
und uns (mit a}er A"tung f|r den$elben,) nur einige,

58 [4:424]
Ganz Nach ObenInhaltsverzeichnis
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wie es uns $"eint, unerhebli"e und uns abgedrungene
Ausnahmen erlauben.

Wir haben $o viel al$o wenig@ens dargethan, daß,
wenn Pfli"t ein Begri' i@, der Bedeutung und wirkli"e
[5]Ge$e{gebung f|r un$ere Handlungen enthalten $o}, die$e
nur in categori$"en Imperativen, keinesweges aber in
hypotheti$"en ausgedr|#t werden k~nne; imglei"en ha-
ben wir, wel"es $"on viel i@, den Inhalt des catego-
ri$"en Imperativs, der das Princip a}er Pfli"t (wenn
[10]es |berhaupt derglei"en g%be,) enthalten m|ßte, deut-
li" und zu jedem Gebrau"e be@immt darge@e}t. No"
$ind wir aber ni"t $o weit, a priori zu bewei$en, daß
derglei"en Imperativ wirkli" @att+nde, daß es ein
practi$"es Ge$e{ gebe, wel"es $"le"terdings und ohne
[15]a}e Triebfedern f|r $i" gebietet, und daß die Befolgung
die$es Ge$e{es Pfli"t $ey.

Bey der Ab$i"t, dazu zu gelangen, i@ es von der
%ußer@en Wi"tigkeit, $i" die$es zur Warnung dienen zu
la=en, daß man es $i" ja ni"t in den Sinn kommen
[20]la=e, die Realit%t die$es Princips aus der be$ondern
Eigen$"aft der men$"li"en Natur ableiten zu wol-
len. Denn Pfli"t $o} practi$"-unbedingte Nothwen-
digkeit der Handlung $eyn; $ie muß al$o f|r a}e ver-
n|nftige We$en (auf die nur |bera} ein Imperativ tref-
[25]fen kann,) gelten, und a}ein darum au" f|r a}en men$"-
li"en Wi}en ein Ge$e{ $eyn. Was dagegen aus der

59 [4:424-425]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

be$ondern Naturanlage der Men$"heit, was aus ge-
wi=en Gef|hlen und Hange, ja $o gar, wo m~gli", aus
einer be$onderen Ri"tung, die der men$"li"en Vernunft
eigen w%re, und ni"t nothwendig f|r den Wi}en eines
[5]jeden vern|nftigen We$ens gelten m|ßte, abgeleitet wird,
das kann zwar eine Maxime f|r uns, aber kein Ge$e{
abgeben, ein $ubjectiv Princip, na" wel"em wir han-
deln zu d|rfen, Hang und Neigung haben, aber ni"t ein
objectives, na" wel"em wir angewie$en w%ren zu han-
[10]deln, wenn glei" a}er un$er Hang, Neigung und Natur-
einri"tung dawider w%re, $o gar, daß es um de@o mehr
die Erhabenheit und innere W|rde des Gebots in einer
Pfli"t bewei$et, je weniger die $ubjectiven Ur$a"en da-
f|r, je mehr $ie dagegen $eyn, ohne do" deswegen die
[15]N~thigung dur"s Ge$e{ nur im minde@en zu $"w%"en,
und $einer G|ltigkeit etwas zu benehmen.

Hier $ehen wir nun die Philo$ophie in der That auf
einen mißli"en Standpunct ge@e}et, der fe@ $eyn $o},
unera"tet er weder im Himmel, no" auf der Erde, an
[20]etwas geh%ngt, oder woran ge@|{t wird. Hier $o} $ie
ihre Lauterkeit bewei$en, als Selb@halterin ihrer Ge$e{e,
ni"t als Herold derjenigen, wel"e ihr ein eingepflanzter
Sinn, oder wer weiß wel"e vormund$"aftli"e Natur
einfl|@ert, die insge$amt, $ie m~gen immer be=er $eyn
[25]als gar ni"ts, do" niemals Grunds%{e abgeben k~nnen,
die die Vernunft dictirt, und die dur"aus v~}ig a priori
ihren Que}, und hiemit zuglei" ihr gebietendes An-

60 [4:425-426]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

$ehen haben m|=en: ni"ts von der Neigung des Men-
$"en, $ondern a}es von der Obergewalt des Ge$e{es
und der $"uldigen A"tung f|r da=elbe zu erwarten, oder
den Men$"en widrigenfa}s zur Selb@vera"tung und
[5]innern Ab$"eu zu verurtheilen.

A}es al$o, was empiri$" i@, i@, als Zuthat zum
Princip der Sittli"keit, ni"t a}ein dazu ganz untaugli",
$ondern der Lauterkeit der Sitten $elb@ h~"@ na"theilig,
an wel"en der eigentli"e und |ber a}en Preis erhabene
[10]Werth eines $"le"terdings guten Wi}ens, eben darin
be@eht, daß das Princip der Handlung von a}en Einfl|$-
$en zuf%}iger Gr|nde, die nur Erfahrung an die Hand
geben kann, frey $ey. Wider die$e Nachl%=igkeit oder
gar niedrige Denkungsart, in Auf$u"ung des Princips
[15]unter empiri$"en Bewegur$a"en und Ge$e{en, kann man
au" ni"t zu viel und zu oft Warnungen ergehen la=en,
indem die men$"li"e Vernunft in ihrer Erm|dung gern
auf die$em Pol@er ausruht, und in dem Traume $|ßer
Vor$piegelungen (die $ie do" @att der Juno eine Wolke
[20]umarmen la=en,) der Sittli"keit einen aus Gliedern ganz
ver$"iedener Ab@ammung zu$ammengefli#ten Ba@ard un-
ter$"iebt, der a}em %hnli" $ieht, was man daran $ehen
wi}, nur der Tugend ni"t, f|r den, der $ie einmal in
ihrer wahren Ge@alt erbli#t hat. *)

[25]*) Die Tugend in ihrer eigentli"en Ge@alt erbli#en, i@ ni"ts
anders, als die Sittli"keit, von a}er Beymi$"ung des Sinn-


61 [4:426]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Die Frage i@ al$o die$e: i@ es ein nothwendiges Ge-
$e{ f|r a}e vern|nftige We$en, ihre Handlungen je-
derzeit na" $ol"en Maximen zu beurtheilen, von denen
$ie $elb@ wo}en k~nnen, daß $ie zu a}gemeinen Ge$e{en
[5]dienen $o}en? Wenn es ein $ol"es i@, $o muß es (v~}ig
a priori) $"on mit dem Begri'e des Wi}ens eines ver-
n|nftigen We$ens |berhaupt verbunden $eyn. Um aber
die$e Verkn|pfung zu entde#en, muß man, $o $ehr man
$i" au" @reubt, einen S"ritt hinaus thun, nemli" zur
[10]Metaphy$ik, obglei" in ein Gebiet der$elben, wel"es
von dem der $peculativen Philo$ophie unter$"ieden i@,
nemli" in die Metaphy$ik der Sitten. In einer practi-
$"en Philo$ophie, wo es uns ni"t darum zu thun i@,
Gr|nde anzunehmen, von dem, was ge$"ieht, $ondern
[15]Ge$e{e von dem, was ge$"ehen $o}, ob es glei" nie-
mals ge$"ieht, d. i. objectiv-practi$"e Ge$e{e: da haben
wir ni"t n~thig, |ber die Gr|nde Unter$u"ung anzu@el-
len, warum etwas gef%}t oder mißf%}t, wie das Vergn|-
gen der bloßen Emp+ndung vom Ge$"ma#e, und ob
[20]die$er von einem a}gemeinen Wohlgefa}en der Vernunft
unter$"ieden $ey; worauf Gef|hl der Lu@ und Unlu@ be-
ruhe, und wie hieraus Begierden und Neigungen, aus
die$en aber, dur" Mitwirkung der Vernunft, Maximen

li"en und a}em un%"ten S"mu# des Lohns, oder der Selb@-
[25]liebe, entkleidet, darzu@e}en. Wie $ehr $ie alsdenn a}es |brige,
was den Neigungen reizend er$"eint, verdunkele, kann jeder ver-
mittel@ des minde@en Ver$u"s $einer ni"t ganz f|r a}e Ab@ra-
ction verdorbenen Vernunft lei"t inne werden.


62 [4:426-427]
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ent$pringen; denn das geh~rt a}es zu einer empiri$"en
Seelenlehre, wel"e den zweyten Theil der Naturlehre
ausma"en w|rde, wenn man $ie als Philo$ophie der
Natur betra"tet, $o fern $ie auf empiri$"en Ge$e{en
[5]gegr|ndet i@. Hier aber i@ vom objectiv-practi$"en
Ge$e{e die Rede, mithin von dem Verh%ltni=e eines
Wi}ens zu $i" $elb@, $o fern er $i" bloß dur" Vernunft
be@immt, da denn a}es, was aufs Empiri$"e Be-
ziehung hat, von $elb@ wegf%}t; weil, wenn die Ver-
[10]nunft f|r $i" a}ein das Verhalten be@immt, (wovon
wir die M~gli"keit je{t eben unter$u"en wo}en,) $ie die-
$es nothwendig a priori thun muß.

Der Wi}e wird als ein Verm~gen geda"t, der
Vor@e}ung gewi=er Ge$e{e gem%ß $i" $elb@ zum
[15]Handeln zu be@immen. Und ein $ol"es Verm~gen kann
nur in vern|nftigen We$en anzutre'en $eyn. Nun i@ das,
was dem Wi}en zum objectiven Grunde $einer Selb@be-
@immung dient, der Zwe#, und die$er, wenn er dur"
bloße Vernunft gegeben wird, muß f|r a}e vern|nftige
[20]We$en glei" gelten. Was dagegen bloß den Grund der
M~gli"keit der Handlung enth%lt, deren Wirkung Zwe#
i@, heißt das Mittel. Der $ubjective Grund des Begeh-
rens i@ die Triebfeder, der objective des Wo}ens der
Bewegungsgrund; daher der Unter$"ied zwi$"en $ub-
[25]jectiven Zwe#en, die auf Triebfedern beruhen, und objecti-
ven, die auf Bewegungsgr|nde ankommen, wel"e f|r

63 [4:427]
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jedes vern|nftige We$en gelten. Practi$"e Principien
$ind formal, wenn $ie von a}en $ubjectiven Zwe#en ab@ra-
hiren; $ie $ind aber material, wenn $ie die$e, mithin ge-
wi=e Triebfedern, zum Grunde legen. Die Zwe#e, die
[5]$i" ein vern|nftiges We$en als Wirkungen $einer Hand-
lung na" Belieben vor$e{t, (materiale Zwe#e) $ind ins-
ge$amt nur relativ; denn nur bloß ihr Verh%ltniß auf
ein be$onders geartetes Begehrungsverm~gen des Sub-
jects giebt ihnen den Werth, der daher keine a}gemeine
[10]f|r a}e vern|nftige We$en, und au" ni"t f|r jedes Wol-
len g|ltige und nothwendige Principien, d. i. practi$"e
Ge$e{e, an die Hand geben kann. Daher $ind a}e die-
$e relative Zwe#e nur der Grund von hypotheti$"en
Imperativen.

[15]Ge$e{t aber, es g%be etwas, de=en Da$eyn an
$i" $elb@ einen ab$oluten Werth hat, was, als Zwe#
an $i" $elb@, ein Grund be@immter Ge$e{e $eyn k~nnte,
$o w|rde in ihm, und nur in ihm a}ein, der Grund
eines m~gli"en categori$"en Imperativs, d. i. practi$"en
[20]Ge$e{es, liegen.

Nun $age i": der Men$", und |berhaupt jedes ver-
n|nftige We$en, exi@irt als Zwe# an $i" $elb@, ni"t
bloß als Mittel zum beliebigen Gebrau"e f|r die$en oder
jenen Wi}en, $ondern muß in a}en $einen, $owol auf
[25]$i" $elb@, als au" auf andere vern|nftige We$en geri"-

64 [4:427-428]
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teten Handlungen, jederzeit zuglei" als Zwe# betra"tet
werden. A}e Gegen@%nde der Neigungen haben nur einen
bedingten Werth; denn, wenn die Neigungen und darauf
gegr|ndete Bed|rfni=e ni"t w%ren, $o w|rde ihr Gegen-
[5]@and ohne Werth $eyn. Die Neigungen $elber aber, als
Que}en der Bed|rfniß, haben $o wenig einen ab$oluten
Werth, um $ie $elb@ zu w|n$"en, daß vielmehr, g%nz-
li" davon frey zu $eyn, der a}gemeine Wun$" eines je-
den vern|nftigen We$ens $eyn muß. Al$o i@ der Werth
[10]a}er dur" un$ere Handlung zu erwerbenden Gegen@%n-
de jederzeit bedingt. Die We$en, deren Da$eyn zwar
ni"t auf un$erm Wi}en, $ondern der Natur beruht, ha-
ben denno", wenn $ie vernunftlo$e We$en $ind, nur
einen relativen Werth, als Mittel, und heißen daher
[15]Sa"en, dagegen vern|nftige We$en Per$onen ge-
nannt werden, weil ihre Natur $ie $"on als Zwe#e an
$i" $elb@, d. i. als etwas, das ni"t bloß als Mittel ge-
brau"t werden darf, auszei"net, mithin $o fern a}e
Wi}k|hr ein$"r%nkt (und ein Gegen@and der A"tung
[20]i@). Dies $ind al$o ni"t bloß $ubjective Zwe#e, deren
Exi@enz, als Wirkung un$erer Handlung, f|r uns ei-
nen Werth hat; $ondern objective Zwe#e, d. i. Dinge,
deren Da$eyn an $i" $elb@ Zwe# i@, und zwar einen
$ol"en, an de=en Statt kein anderer Zwe# ge$e{t wer-
[25]den kann, dem $ie bloß als Mittel zu Dien@en @ehen
$o}ten, weil ohne die$es |bera} gar ni"ts von ab$olu-
tem Werthe w|rde angetro'en werden; wenn aber al-

65 [4:428]
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ler Werth bedingt, mithin zuf%}ig w%re, $o k~nnte f|r
die Vernunft |bera} kein ober@es practi$"es Princip
angetro'en werden.

Wenn es denn al$o ein ober@es practi$"es Prin-
[5]cip, und, in An$ehung des men$"li"en Wi}ens, einen
categori$"en Imperativ geben $o}, $o muß es ein $ol"es
$eyn, das aus der Vor@e}ung de=en, was nothwendig
f|r jedermann Zwe# i@, weil es Zwe# an $i" $elb@
i@, ein objectives Princip des Wi}ens ausma"t, mit-
[10]hin zum a}gemeinen practi$"en Ge$e{ dienen kann. Der
Grund die$es Princips i@: die vern|nftige Natur
exi@irt als Zwe# an $i" $elb@. So @e}t $i" noth-
wendig der Men$" $ein eignes Da$eyn vor; $o fern i@ es
al$o ein $ubjectives Princip men$"li"er Handlungen.
[15]So @e}t $i" aber au" jedes andere vern|nftige We$en
$ein Da$eyn, zufolge eben de=elben Vernunftgrundes, der
au" f|r mi" gilt, vor *); al$o i@ es zuglei" ein ob-
jectives Princip, woraus, als einem ober@en practi-
$"en Grunde, a}e Ge$e{e des Wi}ens m|=en abgeleitet
[20]werden k~nnen. Der practi$"e Imperativ wird al$o
folgender $eyn: Handle $o, daß du die Men$"heit,
$owol in deiner Per$on, als in der Per$on eines
jeden andern, jederzeit zuglei" als Zwe#, niemals

*) Die$en Sa{ @e}e i" hier als Po@ulat auf. Im le{ten Ab-
[25]$"nitte wird man die Gr|nde dazu +nden.


66 [4:428-429]
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bloß als Mittel brau"e@. Wir wo}en $ehen, ob $i"
die$es bewerk@e}igen la=e.

Um bey den vorigen Bey$pielen zu bleiben, $o wird

Er@li", na" dem Begri'e der nothwendigen
[5]Pfli"t gegen $i" $elb@, derjenige, der mit Selb@morde
umgeht, $i" fragen, ob $eine Handlung mit der Idee
der Men$"heit, als Zwe#s an $i" $elb@, zu$ammen
be@ehen k~nne. Wenn er, um einem be$"werli"en Zu-
@ande zu entfliehen, $i" $elb@ zer@~rt, $o bedient er $i"
[10]einer Per$on, bloß als eines Mittels, zu Erhaltung
eines ertr%gli"en Zu@andes bis zu Ende des Lebens.
Der Men$" aber i@ keine Sa"e, mithin ni"t etwas,
das bloß als Mittel gebrau"t werden kann, $ondern
muß bey a}en $einen Handlungen jederzeit als Zwe# an
[15]$i" $elb@ betra"tet werden. Al$o kann i" |ber den
Men$"en in meiner Per$on ni"ts disponiren, ihn zu
ver@|mmeln, zu verderben, oder zu t~dten. (Die n%-
here Be@immung die$es Grund$a{es zur Vermeidung
a}es Mißver@andes, z.B. der Amputation der Glieder,
[20]um mi" zu erhalten, der Gefahr, der i" mein Leben
aus$e{e, um mein Leben zu erhalten &c., muß i" hier
vorbeygehen; $ie geh~rt zur eigentli"en Moral.)

Zweytens, was die nothwendige oder $"uldige
Pfli"t gegen andere betri't, $o wird der, $o ein l|gen-
[25]haftes Ver$pre"en gegen andere zu thun im Sinne hat,
$o fort ein$ehen, daß er $i" eines andern Men$"en

67 [4:429]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

bloß als Mittels bedienen wi}, ohne daß die$er zuglei"
den Zwe# in $i" enthalte. Denn der, den i" dur"
ein $ol"es Ver$pre"en zu meinen Ab$i"ten brau"en
wi}, kann unm~gli" in meine Art, gegen ihn zu verfah-
[5]ren, ein@immen und al$o $elb@ den Zwe# die$er Handlung
enthalten. Deutli"er f%}t die$er Wider@reit gegen das
Princip anderer Men$"en in die Augen, wenn man Bey-
$piele von Angri'en auf Freyheit und Eigenthum ande-
rer herbeyzieht. Denn da leu"tet klar ein, daß der
[10]Uebertreter der Re"te der Men$"en, $i" der Per$on an-
derer bloß als Mittel zu bedienen, ge$onnen $ey, ohne in
Betra"t zu ziehen, daß $ie, als vern|nftige We$en, je-
derzeit zuglei" als Zwe#e, d. i. nur als $ol"e, die von
eben der$elben Handlung au" in $i" den Zwe# m|=en
[15]enthalten k~nnen, ge$"%{t werden $o}en *).

Drittens, in An$ehung der zuf%}igen (verdien@li-
"en) Pfli"t gegen $i" $elb@ i@s ni"t genug, daß die

*) Man denke ja ni"t, daß hier das triviale: quod tibi non vis
fieri &c. zur Ri"t$"nur oder Princip dienen k~nne. Denn es i@,
[20]obzwar mit ver$"iedenen Ein$"r%nkungen, nur aus jenem ab-
geleitet; es kann kein a}gemeines Ge$e{ $eyn, denn es enth%lt
ni"t den Grund der Pfli"ten gegen $i" $elb@, ni"t der Lie-
bespfli"ten gegen andere, (denn man"er w|rde es gerne ein-
gehen, daß andere ihm ni"t wohlthun $o}en, wenn er es
[25]nur |berhoben $eyn d|rfte, ihnen Wohlthat zu erzeigen,) end-
li" ni"t der $"uldigen Pfli"ten gegen einander; denn der
Verbre"er w|rde aus die$em Grunde gegen $eine @rafenden
Ri"ter argumentiren, u. s. w.


68 [4:429-430]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Handlung ni"t der Men$"heit in un$erer Per$on, als
Zwe# an $i" $elb@, wider@reite, $ie muß au" dazu zu-
$ammen@immen. Nun $ind in der Men$"heit Anlagen
zu gr~ßerer Vo}kommenheit, die zum Zwe#e der Natur
[5]in An$ehung der Men$"heit in un$erem Subject geh~ren;
die$e zu verna"l%=igen, w|rde a}enfa}s wol mit der
Erhaltung der Men$"heit, als Zwe#s an $i" $elb@,
aber ni"t der Bef~rderung die$es Zwe#s be@ehen
k~nnen.

[10]Viertens, in Betre' der verdien@li"en Pfli"t
gegen andere, i@ der Naturzwe#, den a}e Men$"en
haben, ihre eigene Gl|#$eligkeit. Nun w|rde zwar
die Men$"heit be@ehen k~nnen, wenn niemand zu des
andern Gl|#$eligkeit was beytr|ge, dabey aber ihr ni"ts
[15]vor$e{li" entz~ge; a}ein es i@ die$es do" nur eine nega-
tive und ni"t po$itive Ueberein@immung zur Men$"heit,
als Zwe# an $i" $elb@, wenn jedermann au" ni"t
die Zwe#e anderer, $o viel an ihm i@, zu bef~rdern
tra"tete. Denn das Subject, wel"es Zwe# an $i"
[20]$elb@ i@, de=en Zwe#e m|=en, wenn jene Vor@e}ung
bey mir a}e Wirkung thun $o}, au", $o viel m~gli",
meine Zwe#e $eyn.

Die$es Princip der Men$"heit und jeder vern|nf-
tigen Natur |berhaupt, als Zwe#s an $i" $elb@,
[25](wel"e die ober@e ein$"r%nkende Bedingung der Frey-

69 [4:430-431]
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heit der Handlungen eines jeden Men$"en i@,) i@ ni"t
aus der Erfahrung entlehnt, er@li", wegen $einer A}ge-
meinheit, da es auf a}e vern|nftige We$en |berhaupt
geht, wor|ber etwas zu be@immen keine Erfahrung zu-
[5]rei"t: zweytens, weil darin die Men$"heit ni"t als
Zwe# der Men$"en ($ubjectiv) d. i. als Gegen@and, den
man $i" von $elb@ wirkli" zum Zwe#e ma"t, $ondern
als objectiver Zwe#, der, wir m~gen Zwe#e haben,
wel"e wir wo}en, als Ge$e{ die ober@e ein$"r%nkende
[10]Bedingung a}er $ubjectiven Zwe#e ausma"en $o}, vor-
ge@e}t wird, mithin aus reiner Vernunft ent$pringen
muß. Es liegt nemli" der Grund a}er practi$"en Ge-
$e{gebung objectiv in der Regel und der Form der A}-
gemeinheit, die $ie ein Ge$e{ (a}enfa}s Naturge$e{) zu
[15]$eyn f%hig ma"t, (na" dem er@en Princip,) $ubjectiv
aber im Zwe#e; das Subject a}er Zwe#e aber i@ jedes
vern|nftige We$en, als Zwe# an $i" $elb@ (na" dem
zweyten Princip): hieraus folgt nun das dritte practi$"e
Princip des Wi}ens, als ober@e Bedingung der Zu$am-
[20]men@immung de=elben mit der a}gemeinen practi$"en
Vernunft, die Idee des Wi}ens jedes vern|nftigen
We$ens als eines a}gemein ge$e{gebenden Wi}ens.

A}e Maximen werden na" die$em Princip ver-
worfen, die mit der eigenen a}gemeinen Ge$e{gebung
[25]des Wi}ens ni"t zu$ammen be@ehen k~nnen. Der
Wi}e wird al$o ni"t ledigli" dem Ge$e{e unterwor-

70 [4:431]
Ganz Nach ObenInhaltsverzeichnis
Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

fen, $ondern $o unterworfen, daß er au" als $elb@-
ge$e{gebend, und eben um deswi}en a}erer@ dem Ge$e{e
(davon er $elb@ $i" als Urheber betra"ten kann) unter-
worfen, ange$ehen werden muß.

[5]Die Imperativen na" der vorigen Vor@e}ungsart,
nemli" der a}gemein einer Naturordnung %hnli"en
Ge$e{m%ßigkeit der Handlungen, oder des a}gemeinen
Zwe#svorzuges vern|nftiger We$en an $i" $elb@, $"lo=en
zwar von ihrem gebietenden An$ehen a}e Beymi$"ung
[10]irgend eines Intere=e, als Triebfeder, aus, eben dadur",
daß $ie als categori$" vorge@e}t wurden; $ie wurden
aber nur als categori$" angenommen, weil man der-
glei"en annehmen mußte, wenn man den Begri' von
Pfli"t erkl%ren wo}te. Daß es aber practi$"e S%{e
[15]g%be, die categori$" geb~ten, k~nnte f|r $i" ni"t be-
wie$en werden, $o wenig, wie es |berhaupt in die$em
Ab$"nitte au" hier no" ni"t ge$"ehen kann; a}ein eines
h%tte do" ge$"ehen k~nnen, nemli": daß die Los$a-
gung von a}em Intere=e beym Wo}en aus Pfli"t, als
[20]das $peci+$"e Unter$"eidungszei"en des categori$"en
vom hypotheti$"en Imperativ, in dem Imperativ $elb@,
dur" irgend eine Be@immung, die er enthielte, mit
angedeutet w|rde, und die$es ge$"ieht in gegenw%rtiger
dritten Formel des Princips, nemli" der Idee des
[25]Wi}ens eines jeden vern|nftigen We$ens, als a}gemein-
ge$e{gebenden Wi}ens.

71 [4:431-432]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Denn wenn wir einen $ol"en denken, $o kann, ob-
glei" ein Wi}e, der unter Ge$e{en @eht, no" ver-
mittel@ eines Intere=e an die$es Ge$e{ gebunden $eyn
mag, denno" ein Wi}e, der $elb@ zu ober@ ge$e{ge-
[5]bend i@, unm~gli" $o fern von irgend einem Intere=e
abh%ngen; denn ein $ol"er abh%ngender Wi}e w|rde
$elb@ no" eines andern Ge$e{es bed|rfen, wel"es das
Intere=e $einer Selb@liebe auf die Bedingung einer G|l-
tigkeit zum a}gemeinen Ge$e{ ein$"r%nkte.

[10]Al$o w|rde das Princip eines jeden men$"li"en
Wi}ens, als eines dur" a}e $eine Maximen a}ge-
mein ge$e{gebenden Wi}ens*), wenn es $on@ mit ihm
nur $eine Ri"tigkeit h%tte, $i" zum categori$"en Im-
perativ darin gar wohl $"i#en, daß es, eben um
[15]der Idee der a}gemeinen Ge$e{gebung wi}en, $i" auf
kein Intere=e gr|ndet und al$o unter a}en m~gli"en
Imperativen a}ein unbedingt $eyn kann; oder no" be=er,
indem wir den Sa{ umkehren, wenn es einen categori-
$"en Imperativ giebt, (d. i. ein Ge$e{ f|r jeden Wi}en
[20]eines vern|nftigen We$ens,) $o kann er nur gebieten,
a}es aus der Maxime $eines Wi}ens, als eines $ol"en, zu
thun, der zuglei" $i" $elb@ als a}gemein ge$e{gebend

*) I" kann hier, Bey$piele zur Erl%uterung die$es Princips an-
zuf|hren, |berhoben $eyn, denn die, $o zuer@ den categori-
[25]$"en Imperativ und $eine Formel erl%uterten, k~nnen hier
a}e zu eben dem Zwe#e dienen.


72 [4:432]
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zum Gegen@ande haben k~nnte; denn alsdenn nur i@
das practi$"e Princip und der Imperativ, dem er ge-
hor"t, unbedingt, weil er gar kein Intere=e zum Grun-
de haben kann.

[5]Es i@ nun kein Wunder, wenn wir auf a}e bishe-
rige Bem|hungen, die jemals unternommen worden,
um das Princip der Sittli"keit ausf|ndig zu ma"en, zu-
r|#$ehen, warum $ie insge$amt haben fehl$"lagen m|=en.
Man $ahe den Men$"en dur" $eine Pfli"t an Ge$e{e
[10]gebunden, man ließ es $i" aber ni"t einfa}en, daß er
nur $einer eigenen und denno" a}gemeinen Ge$e{ge-
bung unterworfen $ey, und daß er nur verbunden $ey,
$einem eigenen, dem Naturzwe#e na" aber a}ge-
mein ge$e{gebenden, Wi}en gem%ß zu handeln. Denn,
[15]wenn man $i" ihn nur als einem Ge$e{ (wel"es es au"
$ey) unterworfen da"te: $o mußte die$es irgend ein In-
tere=e als Reiz oder Zwang bey $i" f|hren, weil es ni"t
als Ge$e{ aus $einem Wi}en ent$prang, $ondern die$er
ge$e{m%ßig von etwas anderm gen~thiget wurde, auf
[20]gewi=e Wei$e zu handeln. Dur" die$e ganz nothwendi-
ge Folgerung aber war a}e Arbeit, einen ober@en Grund
der Pfli"t zu +nden, unwiederbringli" verlohren. Denn
man bekam niemals Pfli"t, $ondern Nothwendigkeit der
Handlung aus einem gewi=en Intere=e heraus. Die$es
[25]mo"te nun ein eigenes oder fremdes Intere=e $eyn.
Aber alsdann mußte der Imperativ jederzeit bedingt

73 [4:432-433]
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ausfa}en, und konnte zum morali$"en Gebote gar ni"t tau-
gen. I" wi} al$o die$en Grund$a{ das Princip der Auto-
nomie des Wi}ens, im Gegen$a{ mit jedem andern, das
i" deshalb zur Heteronomie z%hle, nennen.

[5]Der Begri' eines jeden vern|nftigen We$ens, das
$i" dur" a}e Maximen $eines Wi}ens als a}gemein
ge$e{gebend betra"ten muß, um aus die$em Ge$i"t$pun-
cte $i" $elb@ und $eine Handlungen zu beurtheilen, f|hrt
auf einen ihm anh%ngenden $ehr fru"tbaren Begri', nem-
[10]li" den eines Rei"s der Zwe#e.

I" ver@ehe aber unter einem Rei"e die $y@ema-
ti$"e Verbindung ver$"iedener vern|nftiger We$en dur"
gemein$"aftli"e Ge$e{e. Weil nun Ge$e{e die Zwe#e
ihrer a}gemeinen G|ltigkeit na" be@immen, $o wird,
[15]wenn man von dem pers~nli"en Unter$"iede vern|nftiger
We$en, imglei"en a}em Inhalte ihrer Privatzwe#e ab-
@rahirt, ein Ganzes a}er Zwe#e, ($owol der vern|nf-
tigen We$en als Zwe#e an $i", als au" der eigenen
Zwe#e, die ein jedes $i" $elb@ $e{en mag,) in $y@emati-
[20]$"er Verkn|pfung, d. i. ein Rei" der Zwe#e geda"t
werden k~nnen, wel"es na" obigen Principien m~g-
li" i@.

Denn vern|nftige We$en @ehen a}e unter dem Ge-
$e{, daß jedes der$elben $i" $elb@ und a}e andere nie-

74 [4:433]
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mals bloß als Mittel, $ondern jederzeit zuglei" als
Zwe# an $i" $elb@ behandeln $o}e. Hiedur" aber
ent$pringt eine $y@emati$"e Verbindung vern|nftiger
We$en dur" gemein$"aftli"e objective Ge$e{e, d. i. ein
[5]Rei", wel"es, weil die$e Ge$e{e eben die Beziehung
die$er We$en auf einander, als Zwe#e und Mittel, zur
Ab$i"t haben, ein Rei" der Zwe#e (freyli" nur ein
Ideal) heißen kann.

Es geh~rt aber ein vern|nftiges We$en als Glied
[10]zum Rei"e der Zwe#e, wenn es darin zwar a}gemein
ge$e{gebend, aber au" die$en Ge$e{en $elb@ unterworfen
i@. Es geh~rt dazu als Oberhaupt, wenn es als ge-
$e{gebend keinem Wi}en eines andern unterworfen i@.

Das vern|nftige We$en muß $i" jederzeit als ge$e{-
[15]gebend in einem dur" Freyheit des Wi}ens m~gli"en
Rei"e der Zwe#e betra"ten, es mag nun $eyn als Glied,
oder als Oberhaupt. Den Pla{ des le{tern kann es aber
ni"t bloß dur" die Maxime $eines Wi}ens, $ondern nur
alsdann, wenn es ein v~}ig unabh%ngiges We$en, ohne
[20]Bed|rfniß und Ein$"r%nkung $eines dem Wi}en ad%-
quaten Verm~gens i@, behaupten.

Moralit%t be@eht al$o in der Beziehung a}er Hand-
lung auf die Ge$e{gebung, dadur" a}ein ein Rei" der
Zwe#e m~gli" i@. Die$e Ge$e{gebung muß aber in je-

75 [4:433-434]
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dem vern|nftigen We$en $elb@ angetro'en werden, und
aus $einem Wi}en ent$pringen k~nnen, de=en Princip
al$o i@: keine Handlung na" einer andern Maxime zu
thun, als $o, daß es au" mit ihr be@ehen k~nne, daß
[5]$ie ein a}gemeines Ge$e{ $ey, und al$o nur $o, daß
der Wi}e dur" $eine Maxime $i" $elb@ zuglei" als
a}gemein ge$e{gebend betra"ten k~nne. Sind nun
die Maximen mit die$em objectiven Princip der vern|nf-
tigen We$en, als a}gemein ge$e{gebend, ni"t dur" ih-
[10]re Natur $"on nothwendig ein@immig, $o heißt die Noth-
wendigkeit der Handlung na" jenem Princip practi$"e
N~thigung, d. i. Pfli"t. Pfli"t kommt ni"t dem
Oberhaupte im Rei"e der Zwe#e, wol aber jedem
Gliede, und zwar a}en in glei"em Maaße, zu.

[15]Die practi$"e Nothwendigkeit na" die$em Prin-
cip zu handeln, d. i. die Pfli"t, beruht gar ni"t auf Ge-
f|hlen, Antrieben und Neigungen, $ondern bloß auf dem
Verh%ltni=e vern|nftiger We$en zu einander, in wel"em
der Wi}e eines vern|nftigen We$ens jederzeit zuglei" als
[20]ge$e{gebend betra"tet werden muß, weil es $ie $on@
ni"t als Zwe# an $i" $elb@ denken k~nnte. Die Ver-
nunft bezieht al$o jede Maxime des Wi}ens als a}gemein
ge$e{gebend auf jeden anderen Wi}en, und au" auf je-
de Handlung gegen $i" $elb@, und dies zwar ni"t um
[25]irgend eines andern practi$"en Bewegungsgrundes oder
k|nftigen Vortheils wi}en, $ondern aus der Idee der

76 [4:434]
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W|rde eines vern|nftigen We$ens, das keinem Ge$e{e
gehor"t, als dem, das es zuglei" $elb@ giebt.

Im Rei"e der Zwe#e hat a}es entweder einen
Preiß, oder eine W|rde. Was einen Preiß hat,
[5]an de=en Ste}e kann au" etwas anderes, als Aequiva-
lent, ge$e{t werden; was dagegen |ber a}en Preiß er-
haben i@, mithin kein Aequivalent ver@attet, das hat
eine W|rde.

Was $i" auf die a}gemeinen men$"li"en Neigungen
[10]und Bed|rfni=e bezieht, hat einen Marktpreiß; das,
was, au" ohne ein Bed|rfniß vorauszu$e{en, einem ge-
wi=en Ge$"ma#e, d. i. einem Wohlgefa}en am bloßen
zwe#lo$en Spiel un$erer Gem|thskr%fte, gem%ß i@, einen
A'ection$preiß; das aber, was die Bedingung aus-
[15]ma"t, unter der a}ein etwas Zwe# an $i" $elb@ $eyn
kann, hat ni"t bloß einen relativen Werth, d. i. einen
Preiß, $ondern einen innern Werth, d. i. W|rde.

Nun i@ Moralit%t die Bedingung, unter der al-
lein ein vern|nftiges We$en Zwe# an $i" $elb@ $eyn
[20]kann; weil nur dur" $ie es m~gli" i@, ein ge$e{gebend
Glied im Rei"e der Zwe#e zu $eyn. Al$o i@ Sittli"-
keit und die Men$"heit, $o fern $ie der$elben f%hig i@,
dasjenige, was a}ein W|rde hat. Ge$"i#li"keit und
Fleiß im Arbeiten haben einen Marktpreiß: Wi{, leb-

77 [4:434-435]
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hafte Einbildungskraft und Launen einen A'ection$preiß:
dagegen Treue im Ver$pre"en, Wohlwo}en aus Grund-
s%{en (ni"t aus In@inct,) haben einen innern Werth.
Die Natur $owol als Kun@ enthalten ni"ts, was $ie,
[5]in Ermangelung der$elben, an ihre Ste}e $e{en k~nnten;
denn ihr Werth be@eht ni"t in den Wirkungen, die dar-
aus ent$pringen, im Vortheil und Nu{en, den $ie $"af-
fen, $ondern in den Ge$innungen, d. i. den Maximen
des Wi}ens, die $i" auf die$e Art in Handlungen zu
[10]o'enbaren bereit $ind, obglei" au" der Erfolg $ie ni"t
beg|n@igte. Die$e Handlungen bed|rfen au" keiner
Empfehlung von irgend einer $ubjectiven Di$po$ition
oder Ge$"ma#, $ie mit unmittelbarer Gun@ und Wohl-
gefa}en anzu$ehen, keines unmittelbaren Hanges oder
[15]Gef|hles f|r die$elbe: $ie @e}en den Wi}en, der $ie aus-
|bt, als Gegen@and einer unmittelbaren A"tung dar,
dazu ni"ts als Vernunft gefodert wird, um $ie dem Wi}en
aufzuerlegen, ni"t von ihm zu er$"mei"eln, wel"es
le{tere bey Pfli"ten ohnedem ein Wider$pru" w%re.
[20]Die$e S"%{ung giebt al$o den Werth einer $ol"en Den-
kungsart als W|rde zu erkennen, und $e{t $ie |ber a}en
Preiß unendli" weg, mit dem $ie gar ni"t in An$"lag
und Verglei"ung gebra"t werden kann, ohne $i" glei"-
$am an der Heiligkeit der$elben zu vergreifen.

[25]Und was i@ es denn nun, was die $ittli" gute
Ge$innung oder die Tugend bere"tigt, $o hohe An$pr|-

78 [4:435]
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"e zu ma"en? Es i@ ni"ts geringeres als der Antheil,
den $ie dem vern|nftigen We$en an der a}gemeinen
Ge$e{gebung ver$"a't, und es hiedur" zum Gliede in
einem m~gli"en Rei"e der Zwe#e taugli" ma"t, wozu
[5]es dur" $eine eigene Natur $"on be@immt war, als
Zwe# an $i" $elb@ und eben darum als ge$e{gebend im
Rei"e der Zwe#e, in An$ehung a}er Naturge$e{e als
frey, nur denjenigen a}ein gehor"end, die es $elb@
giebt und na" wel"en $eine Maximen zu einer a}gemei-
[10]nen Ge$e{gebung (der er $i" zuglei" $elb@ unterwirft,)
geh~ren k~nnen. Denn es hat ni"ts einen Werth, als
den, wel"en ihm das Ge$e{ be@immt. Die Ge$e{gebung $elb@
aber, die a}en Werth be@immt, muß eben darum eine
W|rde, d. i. unbedingten, unverglei"baren Werth ha-
[15]ben, f|r wel"en das Wort A"tung a}ein den gezie-
menden Ausdru# der S"%{ung abgiebt, die ein vern|nf-
tiges We$en |ber $ie anzu@e}en hat. Autonomie i@
al$o der Grund der W|rde der men$"li"en und jeder
vern|nftigen Natur.

[20]Die angef|hrten drey Arten, das Princip der Sitt-
li"keit vorzu@e}en, $ind aber im Grunde nur $o viele
Formeln eben de=elben Ge$e{es, deren die eine die an-
deren zwey von $elb@ in $i" vereinigt. Inde=en i@ do"
eine Ver$"iedenheit in ihnen, die zwar eher $ubjectiv
[25]als objectiv-practi$" i@, nemli", um eine Idee der
Vernunft der An$"auung (na" einer gewi=en Analogie)

79 [4:435-436]
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und dadur" dem Gef|hle n%her zu bringen. A}e Maxi-
men haben nemli"

1) eine Form, wel"e in der A}gemeinheit be@eht,
und da i@ die Formel des $ittli"en Imperativs $o ausge-
[5]dr|#t: daß die Maximen $o m|=en gew%hlt werden, als
ob $ie wie a}gemeine Naturge$e{e gelten $o}ten;

2) eine Maxime, nemli" einen Zwe#, und da $agt
die Formel: daß das vern|nftige We$en, als Zwe# $ei-
ner Natur na", mithin als Zwe# an $i" $elb@, jeder
[10]Maxime zur ein$"r%nkenden Bedingung a}er bloß rela-
tiven und wi}k|hrli"en Zwe#e dienen m|=e;

3) eine vo}@%ndige Be@immung a}er Maxi-
men dur" jene Formel, nemli": daß a}e Maximen
aus eigener Ge$e{gebung zu einem m~gli"en Rei"e der
[15]Zwe#e, als einem Rei"e der Natur *), zu$ammen@im-
men $o}en. Der Fortgang ge$"ieht hier, wie dur"
die Categorien der Einheit der Form des Wi}ens, (der
A}gemeinheit de=elben,) der Vielheit der Materie, (der
Objecte, d. i. der Zwe#e,) und der A}heit oder Tota-
[20]lit%t des Sy@ems der$elben. Man thut aber be=er,
wenn man in der $ittli"en Beurtheilung immer na"

*) Die Teleologie erw%gt die Natur als ein Rei" der Zwe#e,
die Moral ein m~gli"es Rei" der Zwe#e als ein Rei"
der Natur. Dort i@ das Rei" der Zwe#e eine theoreti$"e
[25]Idee, zu Erkl%rung de=en, was da i@. Hier i@ es eine
practi$"e Idee, um das, was ni"t da i@, aber dur" un$er
Thun und La=en wirkli" werden kann, und zwar eben die$er
Idee gem%ß, zu Stande zu bringen.


80 [4:436]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

der @rengen Methode verf%hrt, und die a}gemeine For-
mel des categori$"en Imperativs zum Grunde legt:
handle na" der Maxime, die $i" $elb@ zuglei" zum
a}gemeinen Ge$e{e ma"en kann. Wi} man aber
[5]dem $ittli"en Ge$e{e zuglei" Eingang ver$"a'en: $o i@
$ehr n|{li", ein und eben die$elbe Handlung dur" be-
nannte drey Begri'e zu f|hren, und $ie dadur", $o viel
$i" thun l%ßt, der An$"auung zu n%hern.

Wir k~nnen nunmehr da endigen, von wo wir im
[10]Anfange ausgingen, nemli" dem Begri'e eines unbe-
dingt guten Wi}ens. Der Wi}e i@ $"le"terdings
gut, der ni"t b~$e $eyn, mithin de=en Maxime, wenn
$ie zu einem a}gemeinen Ge$e{e gema"t wird, $i" $elb@
niemals wider@reiten kann. Die$es Princip i@ al$o au"
[15]$ein ober@es Ge$e{: handle jederzeit na" derjenigen Ma-
xime, deren A}gemeinheit als Ge$e{es du zuglei" wol-
len kann@; die$es i@ die einzige Bedingung, unter der ein
Wi}e niemals mit $i" $elb@ im Wider@reite $eyn kann,
und ein $ol"er Imperativ i@ categori$". Weil die G|l-
[20]tigkeit des Wi}ens, als eines a}gemeinen Ge$e{es f|r
m~gli"e Handlungen, mit der a}gemeinen Verkn|pfung
des Da$eyns der Dinge na" a}gemeinen Ge$e{en, die
das Formale der Natur |berhaupt i@, Analogie hat, $o
kann der categori$"e Imperativ au" $o ausgedr|#t wer-
[25]den: Handle na" Maximen, die $i" $elb@ zuglei"
als a}gemeine Naturge$e{e zum Gegen@ande haben

81 [4:436-437]
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k~nnen. So i@ al$o die Formel eines $"le"terdings
guten Wi}ens be$"a'en.

Die vern|nftige Natur nimmt $i" dadur" vor den
|brigen aus, daß $ie ihr $elb@ einen Zwe# $e{t. Die$er
[5]w|rde die Materie eines jeden guten Wi}ens $eyn. Da
aber in der Idee eines ohne ein$"r%nkende Bedingung
(der Errei"ung die$es oder jenes Zwe#s) $"le"terdings
guten Wi}ens, dur"aus von a}em zu bewirkenden
Zwe#e ab@rahirt werden muß, (als der jeden Wi}en nur
[10]relativ gut ma"en w|rde,) $o wird der Zwe# hier ni"t
als ein zu bewirkender, $ondern $elb@@%ndiger Zwe#,
mithin nur negativ, geda"t werden m|=en, d. i. dem
niemals zuwider gehandelt, der al$o niemals bloß als
Mittel, $ondern jederzeit zuglei" als Zwe# in jedem Wol-
[15]len ge$"%{t werden muß. Die$er kann nun ni"ts anders
als das Subject a}er m~gli"en Zwe#e $elb@ $eyn, weil
die$es zuglei" das Subject eines m~gli"en $"le"ter-
dings guten Wi}ens i@; denn die$er kann, ohne Wi-
der$pru", keinem andern Gegen@ande na"ge$e{t wer-
[20]den. Das Princip: handle in Beziehung auf ein je-
des vern|nftiges We$en (auf di" $elb@ und andere) $o,
daß es in deiner Maxime zuglei" als Zwe# an $i" $elb@
gelte, i@ demna" mit dem Grund$a{e: handle na" ei-
ner Maxime, die ihre eigene a}gemeine G|ltigkeit f|r
[25]jedes vern|nftige We$en zuglei" in $i" enth%lt, im Grun-
de einerley. Denn, daß i" meine Maxime im Gebrau-

82 [4:437-438]
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"e der Mittel zu jedem Zwe#e auf die Bedingung ihrer
A}gemeing|ltigkeit, als eines Ge$e{es f|r jedes Subject
ein$"r%nken $o}, $agt eben $o viel, als das Subject der
Zwe#e, d. i. das vern|nftige We$en $elb@, muß niemals
[5]bloß als Mittel, $ondern als ober@e ein$"r%nkende Be-
dingung im Gebrau"e a}er Mittel, d. i. jederzeit zuglei"
als Zwe#, a}en Maximen der Handlungen zum Grunde
gelegt werden.

Nun folgt hieraus un@reitig: daß jedes vern|nf-
[10]tige We$en, als Zwe# an $i" $elb@, $i" in An$ehung al-
ler Ge$e{e, denen es nur immer unterworfen $eyn mag,
zuglei" als a}gemein ge$e{gebend m|=e an$ehen k~nnen,
weil eben die$e S"i#li"keit $einer Maximen zur a}ge-
meinen Ge$e{gebung es als Zwe# an $i" $elb@ auszei"-
[15]net, imglei"en, daß die$es $eine W|rde (Pr%rogativ) vor
a}en bloßen Naturwe$en es mit $i" bringe, $eine Maximen
jederzeit aus dem Ge$i"t$puncte $einer $elb@, zuglei"
aber au" jedes andern vern|nftigen als ge$e{gebenden
We$ens, (die darum au" Per$onen heißen,) nehmen zu
[20]m|=en. Nun i@ auf $ol"e Wei$e eine Welt vern|nftiger
We$en (mundus intelligibilis) als ein Rei" der Zwe#e
m~gli", und zwar dur" die eigene Ge$e{gebung a}er
Per$onen als Glieder. Demna" muß ein jedes vern|nf-
tiges We$en $o handeln, als ob es dur" $eine Maximen
[25]jederzeit ein ge$e{gebendes Glied im a}gemeinen Rei"e der
Zwe#e w%re. Das formale Princip die$er Maximen i@:

83 [4:438]
Ganz Nach ObenInhaltsverzeichnis
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handle $o, als ob deine Maxime zuglei" zum a}gemei-
nen Ge$e{e (a}er vern|nftigen We$en) dienen $o}te.
Ein Rei" der Zwe#e i@ al$o nur m~gli" na" der Ana-
logie mit einem Rei"e der Natur, jenes aber nur na"
[5]Maximen, d. i. $i" $elb@ auferlegten Regeln, die$e
nur na" Ge$e{en %ußerli" gen~thigter wirkenden Ur-
$a"en. Dem unera"tet giebt man do" au" dem Na-
turganzen, ob es $"on als Ma$"ine ange$ehen wird,
denno", $o fern es auf vern|nftige We$en, als $eine
[10]Zwe#e, Beziehung hat, aus die$em Grunde den Na-
men eines Rei"s der Natur. Ein $ol"es Rei" der
Zwe#e w|rde nun dur" Maximen, deren Regel der ca-
tegori$"e Imperativ a}er vern|nftigen We$en vor$"reibt,
wirkli" zu Stande kommen, wenn $ie a}gemein befolgt
[15]w|rden. A}ein, obglei" das vern|nftige We$en darauf
ni"t re"nen kann, daß, wenn es au" glei" die$e Maxi-
me $elb@ p|nctli" befolgte, darum jedes andere eben
der$elben treu $eyn w|rde, imglei"en, daß das Rei" der
Natur und die zwe#m%ßige Anordnung de=elben, mit
[20]ihm, als einem $"i#li"en Gliede, zu einem dur" ihn $elb@
m~gli"en Rei"e der Zwe#e zu$ammen@immen, d. i. $ei-
ne Erwartung der Gl|#$eligkeit beg|n@igen werde; $o
bleibt do" jenes Ge$e{: handle na" Maximen eines a}-
gemein ge$e{gebenden Gliedes zu einem bloß m~gli"en
[25]Rei"e der Zwe#e, in $einer vo}en Kraft, weil es ca-
tegori$" gebietend i@. Und hierin liegt eben das Para-
doxon: daß bloß die W|rde der Men$"heit, als vern|nf-

84 [4:438-439]
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tiger Natur, ohne irgend einen andern dadur" zu errei"en-
den Zwe#, oder Vortheil, mithin die A"tung f|r eine bloße
Idee, denno" zur unna"laßli"en Vor$"rift des Wil-
lens dienen $o}te, und daß gerade in die$er Unabh%ngig-
[5]keit der Maxime von a}en $ol"en Triebfedern die Er-
habenheit der$elben be@ehe, und die W|rdigkeit eines
jeden vern|nftigen Subjects, ein ge$e{gebendes Glied im
Rei"e der Zwe#e zu $eyn; denn $on@ w|rde es nur als
dem Naturge$e{e $einer Bed|rfniß unterworfen vorge@e}t
[10]werden m|=en. Obglei" au" das Naturrei" $owol,
als das Rei" der Zwe#e, als unter einem Oberhaupte
vereinigt geda"t w|rde, und dadur" das le{tere ni"t
mehr bloße Idee bliebe, $ondern wahre Realit%t erhielte,
$o w|rde hiedur" zwar jener der Zuwa"s einer @arken
[15]Triebfeder, niemals aber Vermehrung ihres innern
Werths zu @atten kommen; denn, die$em ungea"tet,
m|ßte do" $elb@ die$er a}einige unum$"r%nkte Ge$e{ge-
ber immer $o vorge@e}t werden, wie er den Werth der
vern|nftigen We$en, nur na" ihrem uneigenn|{igen,
[20]bloß aus jener Idee ihnen $elb@ vorge$"riebenen Verhal-
ten, beurtheilte. Das We$en der Dinge %ndert $i" dur"
ihre %ußere Verh%ltni=e ni"t, und was, ohne an das
le{tere zu denken, den ab$oluten Werth des Men$"en
a}ein ausma"t, darna" muß er au", von wem es au"
[25]$ey, $elb@ vom h~"@en We$en, beurtheilt werden. Mo-
ralit%t i@ al$o das Verh%ltniß der Handlungen zur Auto-
nomie des Wi}ens, das i@, zur m~gli"en a}gemeinen

85 [4:439]
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Ge$e{gebung dur" die Maximen de=elben. Die Hand-
lung, die mit der Autonomie des Wi}ens zu$ammen be@e-
hen kann, i@ erlaubt; die ni"t damit @immt, i@ uner-
laubt. Der Wi}e, de=en Maximen nothwendig mit den
[5]Ge$e{en der Autonomie zu$ammen@immen, i@ ein heili-
ger, $"le"terdings guter Wi}e. Die Abh%ngigkeit ei-
nes ni"t $"le"terdings guten Wi}ens vom Princip der
Autonomie (die morali$"e N~thigung) i@ Verbind-
li"keit. Die$e kann al$o auf ein heiliges We$en ni"t
[10]gezogen werden. Die objective Nothwendigkeit einer
Handlung aus Verbindli"keit heißt Pfli"t.

Man kann aus dem kurz vorhergehenden $i" es
je{t lei"t erkl%ren, wie es zugehe: daß, ob wir glei"
unter dem Begri'e von Pfli"t uns eine Unterw|r+gkeit
[15]unter dem Ge$e{e denken, wir uns dadur" do" zuglei"
eine gewi=e Erhabenheit und W|rde an derjenigen Per-
$on vor@e}en, die a}e ihre Pfli"ten erf|}t. Denn $o
fern i@ zwar keine Erhabenheit an ihr, als $ie dem mo-
rali$"en Ge$e{e unterworfen i@, wol aber, $o fern
[20]$ie in An$ehung eben de=elben zuglei" ge$e{gebend und
nur darum ihm untergeordnet i@. Au" haben wir oben
gezeigt, wie weder Fur"t, no" Neigung, $ondern le-
digli" A"tung f|rs Ge$e{, diejenige Triebfeder $ey, die
der Handlung einen morali$"en Werth geben kann. Un-
[25]$er eigener Wi}e, $o fern er, nur unter der Bedingung
einer dur" $eine Maximen m~gli"en a}gemeinen Ge$e{-

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gebung, handeln w|rde, die$er uns m~gli"e Wi}e in der
Idee, i@ der eigentli"e Gegen@and der A"tung, und
die W|rde der Men$"heit be@eht eben in die$er F%hig-
keit, a}gemein ge$e{gebend, obglei" mit dem Be-
[5]ding, eben die$er Ge$e{gebung zuglei" $elb@ unter-
worfen zu $eyn.

Die Autonomie des Wi}ens
als
ober@es Princip der Sittli"keit.

[10]Autonomie des Wi}ens i@ die Be$"a'enheit des
Wi}ens, dadur" der$elbe ihm $elb@ (unabh%ngig von
a}er Be$"a'enheit der Gegen@%nde des Wo}ens) ein
Ge$e{ i@. Das Princip der Autonomie i@ al$o: ni"t
anders zu w%hlen, als $o, daß die Maximen $einer Wahl
[15]in dem$elben Wo}en zuglei" als a}gemeines Ge$e{ mit
begri'en $eyn. Daß die$e practi$"e Regel ein Imperativ
$ey, d. i. der Wi}e jedes vern|nftigen We$ens an $ie
als Bedingung nothwendig gebunden $ey, kann dur"
bloße Zergliederung der in ihm vorkommenden Begri'e
[20]ni"t bewie$en werden, weil es ein $yntheti$"er Sa{ i@;
man m|ßte |ber die Erkenntniß der Objecte und zu einer
Critik des Subjects, d. i. der reinen practi$"en Ver-
nunft, hinausgehen, denn v~}ig a priori muß die$er $yn-
theti$"e Sa{, der apodicti$" gebietet, erkannt werden
[25]k~nnen, die$es Ge$"%ft aber geh~rt ni"t in gegenw%rti-

87 [4:440]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

gen Ab$"nitt. A}ein, daß geda"tes Princip der Au-
tonomie das a}einige Princip der Moral $ey, l%ßt $i"
dur" bloße Zergliederung der Begri'e der Sittli"keit
gar wohl darthun. Denn dadur" +ndet $i", daß ihr
[5]Princip ein categori$"er Imperativ $eyn m|=e, die$er
aber ni"ts mehr oder weniger als gerade die$e Autono-
mie gebiete.

Die Heteronomie des Wi}ens
als der Que} a}er un%"ten Principien
[10]
der Sittli"keit.

Wenn der Wi}e irgend worin anders, als in
der Taugli"keit $einer Maximen zu $einer eigenen a}ge-
meinen Ge$e{gebung, mithin, wenn er, indem er |ber $i"
$elb@ hinausgeht, in der Be$"a'enheit irgend eines $einer
[15]Objecte das Ge$e{ $u"t, das ihn be@immen $o}, $o kommt
jederzeit Heteronomie heraus. Der Wi}e giebt alsdenn
$i" ni"t $elb@, $ondern das Object dur" $ein Verh%lt-
niß zum Wi}en giebt die$em das Ge$e{. Dies Verh%lt-
niß, es beruhe nun auf der Neigung, oder auf Vor@el-
[20]lungen der Vernunft, l%ßt nur hypotheti$"e Imperati-
ven m~gli" werden: i" $o} etwas thun darum, weil i"
etwas anderes wi}. Dagegen $agt der morali$"e, mit-
hin categori$"e Imperativ: i" $o} $o oder $o handeln,
ob i" glei" ni"ts anderes wo}te. Z. E. jener $agt: i"
[25]$o} ni"t l|gen, wenn i" bey Ehren bleiben wi}; die$er

88 [4:440-441]
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aber: i" $o} ni"t l|gen, ob es mir glei" ni"t die min-
de@e S"ande zuz~ge. Der le{tere muß al$o von a}em
Gegen@ande $o fern ab@rahiren, daß die$er gar keinen
Einfluß auf den Wi}en habe, damit practi$"e Vernunft
[5](Wi}e) ni"t fremdes Intere=e bloß admini@rire, $ondern
bloß ihr eigenes gebietendes An$ehen, als ober@e Ge$e{-
gebung, bewei$e. So $o} i" z.B. fremde Gl|#$eligkeit
zu bef~rdern $u"en, ni"t als wenn mir an deren Exi-
@enz was gelegen w%re, (es $ey dur" unmittelbare Nei-
[10]gung, oder irgend ein Wohlgefa}en indirect dur" Ver-
nunft,) $ondern bloß deswegen, weil die Maxime, die $ie
aus$"ließt, ni"t in einem und dem$elben Wo}en, als a}-
gemeinen Ge$e{, begri'en werden kann.

Eintheilung
[15]
a}er m~gli"en Principien der Sittli"keit
aus dem
angenommenen Grundbegri'e
der Heteronomie.

Die men$"li"e Vernunft hat hier, wie
[20]a}erw%rts in ihrem reinen Gebrau"e, $o lange es
ihr an Critik fehlt, vorher a}e m~gli"e unre"te
Wege ver$u"t, ehe es ihr gelingt, den einzigen
wahren zu tre'en.

A}e Principien, die man aus die$em Ge$i"ts-
[25]puncte nehmen mag, $ind entweder empiri$" oder ra-

89 [4:441]
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tional. Die er@eren, aus dem Princip der Gl|#-
$eligkeit, $ind aufs phy$i$"e oder morali$"e Gef|hl, die
zweyten, aus dem Princip der Vo}kommenheit,
entweder auf den Vernunftbegri' der$elben, als m~gli"er
[5]Wirkung, oder auf den Begri' einer $elb@@%ndigen Vo}-
kommenheit (den Wi}en Gottes), als be@immende Ur-
$a"e un$eres Wi}ens, gebauet.

Empiri$"e Principien taugen |bera} ni"t dazu,
um morali$"e Ge$e{e darauf zu gr|nden. Denn die
[10]A}gemeinheit, mit der $ie f|r a}e vern|nftige We$en
ohne Unter$"ied gelten $o}en, die unbedingte practi$"e
Nothwendigkeit, die ihnen dadur" auferlegt wird, f%}t
weg, wenn der Grund der$elben von der be$onderen
Einri"tung der men$"li"en Natur, oder den zu-
[15]f%}igen Um@%nden hergenommen wird, darin $ie ge$e{t
i@. Do" i@ das Princip der eigenen Gl|#$eligkeit
am mei@en verwerfli", ni"t bloß deswegen, weil es
fal$" i@, und die Erfahrung dem Vorgeben, als ob das
Wohlbe+nden $i" jederzeit na" dem Wohlverhalten ri"-
[20]te, wider$pri"t, au" ni"t bloß, weil es gar ni"ts zur
Gr|ndung der Sittli"keit beytr%gt, indem es ganz was
anderes i@, einen gl|#li"en, als einen guten Men$"en,
und die$en klug und auf $einen Vortheil abgewi{t, als
ihn tugendhaft zu ma"en: $ondern, weil es der Sitt-
[25]li"keit Triebfedern unterlegt, die $ie eher untergraben und
ihre ganze Erhabenheit zerni"ten, indem $ie die Beweg-

90 [4:441-442]
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ur$a"en zur Tugend mit denen zum La@er in eine Cla=e
@e}en und nur den Calcul be=er ziehen lehren, den $pe-
ci+$"en Unter$"ied beider aber ganz und gar ausl~$"en;
dagegen das morali$"e Gef|hl, die$er vermeyntli"e be-
[5]$ondere Sinn *), ($o $ei"t au" die Berufung auf $el-
bigen i@, indem diejenigen, die ni"t denken k~nnen,
$elb@ in dem, was bloß auf a}gemeine Ge$e{e ankommt,
$i" dur"s F|hlen auszuhelfen glauben, $o wenig au"
Gef|hle, die dem Grade na" von Natur unendli" von
[10]einander unter$"ieden $ind, einen glei"en Maaß@ab
des Guten und B~$en abgeben, au" einer dur" $ein
Gef|hl f|r andere gar ni"t g|ltig urtheilen kann,) den-
no" der Sittli"keit und ihrer W|rde dadur" n%her
bleibt, daß er der Tugend die Ehre bewei@, das Wohl-
[15]gefa}en und die Ho"$"%{ung f|r $ie ihr unmittelbar
zuzu$"reiben, und ihr ni"t glei"$am ins Ge$i"t $agt,
daß es ni"t ihre S"~nheit, ondern nur der Vortheil
$ey, der uns an $ie kn|pfe.

Unter den rationalen, oder Vernunftgr|nden der
[20]Sittli"keit, i@ do" der ontologi$"e Begri' der Vo}-

*) I" re"ne das Princip des morali$"en Gef|hls zu dem der
Gl|#$eligkeit, weil ein jedes empiri$"es Intere=e dur" die
Annehmli"keit, die etwas nur gew%hrt, es mag nun unmit-
telbar und ohne Ab$i"t auf Vortheile, oder in R|#$i"t auf
[25]die$elbe ge$"ehen, einen Beytrag zum Wohlbe+nden ver$pri"t.
Imglei"en muß mau das Princip der Theilnehmung an an-
derer Gl|#$eligkeit, mit Hut"e$on, zu dem$elben von ihm
angenommenen morali$"en Sinne re"nen.


91 [4:442-443]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

kommenheit, ($o leer, $o unbe@immt, mithin unbrau"-
bar er au" i@, um in dem unermeßli"en Felde m~g-
li"er Realit%t die f|r uns $"i#li"e gr~ßte Summe
auszu+nden, $o $ehr er au", um die Realit%t, von der
[5]hier die Rede i@, $peci+$" von jeder anderen zu unter-
$"eiden, einen unvermeidli"en Hang hat, $i" im Cirkel
zu drehen, und die Sittli"keit, die er erkl%ren $o}, inge-
heim vorauszu$e{en, ni"t vermeiden kann,) denno"
be=er als der theologi$"e Begri', $ie von einem g~tt-
[10]li"en a}ervo}kommen@en Wi}en abzuleiten, ni"t bloß
deswegen, weil wir $eine Vo}kommenheit do" ni"t an-
$"auen, $ondern $ie von un$eren Begri'en, unter denen
der der Sittli"keit der vornehm@e i@, a}ein ableiten k~n-
nen, $ondern weil, wenn wir die$es ni"t thun, (wie es
[15]denn, wenn es ge$"%he, ein grober Cirkel im Erkl%ren
$eyn w|rde,) der uns no" |brige Begri' $eines Wi}ens
aus den Eigen$"aften der Ehr- und Herr$"begierde, mit
den fur"tbaren Vor@e}ungen der Ma"t und des Ra"-
eifers verbunden, zu einem Sy@em der Sitten, wel"es
[20]der Moralit%t gerade entgegen ge$e{t w%re, die Grund-
lage ma"en m|ßte.

Wenn i" aber zwi$"en dem Begri' des morali$"en
Sinnes und dem der Vo}kommenheit |berhaupt, (die bei-
de der Sittli"keit wenig@ens ni"t Abbru" thun, ob $ie
[25]glei" dazu gar ni"ts taugen, $ie als Grundlagen zu un-
ter@|{en,) w%hlen m|ßte: $o w|rde i" mi" f|r den le{-

92 [4:443]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

teren be@immen, weil, da er wenig@ens die Ent$"ei-
dung der Frage von der Sinnli"keit ab und an den Ge-
ri"tshof der reinen Vernunft zieht, ob er glei" au"
hier ni"ts ent$"eidet, denno" die unbe@immte Idee (ei-
[5]nes an $i" guten Wi}ens) zur n%hern Be@immung un-
verf%l$"t aufbeh%lt.

Uebrigens glaube i" einer weitl%uftigen Widerle-
gung a}er die$er Lehrbegri'e |berhoben $eyn zu k~nnen.
Sie i@ $o lei"t, $ie i@ von denen $elb@, deren Amt es
[10]erfodert, $i" do" f|r eine die$er Theorien zu erkl%ren,
(weil Zuh~rer den Auf$"ub des Urtheils ni"t wohl leiden
m~gen,) $elb@ vermuthli" $o wohl einge$ehen, daß dadur"
nur |berfl|=ige Arbeit ge$"ehen w|rde. Was uns aber
hier mehr intere=irt, i@, zu wi=en: daß die$e Principien
[15]|bera} ni"ts als Heteronomie des Wi}ens zum er@en
Grunde der Sittli"keit auf@e}en, und eben darum noth-
wendig ihres Zwe#s verfehlen m|=en.

A}enthalben, wo ein Object des Wi}ens zum Grun-
de gelegt werden muß, um die$em die Regel vorzu$"rei-
[20]ben, die ihn be@imme, da i@ die Regel ni"ts als He-
teronomie; der Imperativ i@ bedingt, nemli": wenn
oder weil man die$es Object wi}, $o} man $o oder $o
handeln; mithin kann er niemals morali$", d. i. cate-
gori$", gebieten. Er mag nun das Object vermittel@
[25]der Neigung, wie beym Princip der eigenen Gl|#$elig-

93 [4:443-444]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

keit, oder vermittel@ der auf Gegen@%nde un$eres m~g-
li"en Wo}ens |berhaupt geri"teten Vernunft, im Prin-
cip der Vo}kommenheit, den Wi}en be@immen, $o be-
@immt $i" der Wi}e niemals unmittelbar $elb@ dur"
[5]die Vor@e}ung der Handlung, $ondern nur dur" die
Triebfeder, wel"e die vorausge$ehene Wirkung der
Handlung auf den Wi}en hat; i" $o} etwas thun,
darum, weil i" etwas anderes wi}, und hier muß no"
ein anderes Ge$e{ in meinem Subject zum Grunde ge-
[10]legt werden, na" wel"em i" die$es Andere nothwendig
wi}, wel"es Ge$e{ wiederum eines Imperativs bedarf,
der die$e Maxime ein$"r%nke. Denn weil der Antrieb,
der die Vor@e}ung eines dur" un$ere Kr%fte m~g-
li"en Objects na" der Naturbe$"a'enheit des Sub-
[15]jects auf $einen Wi}en aus|ben $o}, zur Natur des
Subjects geh~ret, es $ey der Sinnli"keit, (der
Neigung und des Ge$"ma#s,) oder des Ver@andes
und der Vernunft, die na" der be$onderen Einri"-
tung ihrer Natur an einem Objecte $i" mit Wohlge-
[20]fa}en |ben, $o g%be eigentli" die Natur das Ge-
$e{, wel"es, als ein $ol"es, ni"t a}ein dur"
Erfahrung erkannt und bewie$en werden muß, mit-
hin an $i" zuf%}ig i@ und zur apodicti$"en practi$"en
Regel, derglei"en die morali$"e $eyn muß, dadur" un-
[25]taugli" wird, $ondern es i@ immer nur Heteronomie
des Wi}ens, der Wi}e giebt $i" ni"t $elb@, $ondern
ein fremder Antrieb giebt ihm, vermittel@ einer auf die

94 [4:444]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Empf%ngli"keit de=elben ge@immten Natur des Sub-
jects, das Ge$e{.

Der $"le"terdings gute Wi}e, de=en Princip ein
categori$"er Imperativ $eyn muß, wird al$o, in An$e-
[5]hung a}er Objecte unbe@immt, bloß die Form des
Wo}ens |berhaupt enthalten, und zwar als Autonomie,
d. i. die Taugli"keit der Maxime eines jeden guten Wil-
lens, $i" $elb@ zum a}gemeinen Ge$e{e zu ma"en, i@
$elb@ das a}einige Ge$e{, das $i" der Wi}e eines jeden
[10]vern|nftigen We$ens $elb@ auferlegt, ohne irgend eine
Triebfeder und Intere=e der$elben als Grund unter-
zulegen.

Wie ein $ol"er $yntheti$"er practi$"er Sa{
a priori m~gli" und warum er nothwendig $ey, i@ eine
[15]Aufgabe, deren Aufl~$ung ni"t mehr binnen den Gren-
zen der Metaphy$ik der Sitten liegt, au" haben wir
$eine Wahrheit hier ni"t behauptet, vielweniger vorge-
geben, einen Beweis der$elben in un$erer Gewalt zu ha-
ben. Wir zeigten nur dur" Entwi#elung des einmal
[20]a}gemein im S"wange gehenden Begri's der Sittli"-
keit: daß eine Autonomie des Wi}ens dem$elben, unver-
meidli"er Wei$e, anh%nge, oder vielmehr zum Grunde
liege. Wer al$o Sittli"keit f|r Etwas, und ni"t f|r
eine "im%ri$"e Idee ohne Wahrheit, h%lt, muß das an-
[25]gef|hrte Princip der$elben zuglei" einr%umen. Die$er

95 [4:444-445]
Ganz Nach ObenInhaltsverzeichnis
Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Zweyter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Ab$"nitt war al$o, eben $o, wie der er@e, bloß analy-
ti$". Daß nun Sittli"keit kein Hirnge$pin@ $ey, wel-
"es alsdenn folgt, wenn der categori$"e Imperativ und
mit ihm die Autonomie des Wi}ens wahr, und als ein
[5]Princip a priori $"le"terdings nothwendig i@, erfodert
einen m~gli"en $yntheti$"en Gebrau" der reinen
practi$"en Vernunft, den wir aber ni"t wagen d|r-
fen, ohne eine Critik die$es Vernunftverm~gens $elb@
voranzu$"i#en, von wel"er wir in dem le{ten Ab-
[10]$"nitte die zu un$erer Ab$i"t hinl%ngli"e Haup{|ge
darzu@e}en haben.


96 [4:445]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Dritter Ab$"nitt.

Uebergang
von der
Metaphy$ik der Sitten zur Critik
[5]
der reinen practi$"en Vernunft.

Der Begri' der Freyheit
i@ der
S"l|=el zur Erkl%rung der Autonomie
des Wi}ens.

[10]Der Wi}e i@ eine Art von Caußalit%t lebender We-
$en, $o fern $ie vern|nftig $ind, und Freyheit w|r-
de diejenige Eigen$"aft die$er Caußalit%t $eyn, da $ie
unabh%ngig von fremden $ie be@immenden Ur$a"en
wirkend $eyn kann; $o wie Naturnothwendigkeit die
[15]Eigen$"aft der Caußalit%t a}er vernunftlo$en We$en,
dur" den Einfluß fremder Ur$a"en zur Th%tigkeit be-
@immt zu werden.

Die angef|hrte Erkl%rung der Freyheit i@ negativ,
und daher, um ihr We$en einzu$ehen, unfru"tbar; al-
[20]lein es fließt aus ihr ein po$itiver Begri' der$elben, der
de@o rei"haltiger und fru"tbarer i@. Da der Begri'
einer Caußalit%t den von Ge$e{en bey $i" f|hrt, na"
wel"en dur" etwas, was wir Ur$a"e nennen, etwas

97 [4:446]
Ganz Nach ObenInhaltsverzeichnis
Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

anderes, nemli" die Folge, ge$e{t werden muß: $o i@
die Freyheit, ob $ie zwar ni"t eine Eigen$"aft des Wil-
lens na" Naturge$e{en i@, darum do" ni"t gar ge$e{-
los, $ondern muß vielmehr eine Caußalit%t na" unwan-
[5]delbaren Ge$e{en, aber von be$onderer Art, $eyn; denn
$on@ w%re ein freyer Wi}e ein Unding. Die Natur-
nothwendigkeit war eine Heteronomie der wirkenden Ur-
$a"en; denn jede Wirkung war nur na" dem Ge$e{e
m~gli", daß etwas anderes die wirkende Ur$a"e zur
[10]Caußalit%t be@immte; was kann denn wol die Freyheit
des Wi}ens $on@ $eyn, als Autonomie, d. i. die Ei-
gen$"aft des Wi}ens, $i" $elb@ ein Ge$e{ zu $eyn? Der
Sa{ aber: der Wi}e i@ in a}en Handlungen $i" $elb@
ein Ge$e{, bezei"net nur das Princip, na" keiner an-
[15]deren Maxime zu handeln, als die $i" $elb@ au" als
ein a}gemeines Ge$e{ zum Gegen@ande haben kann.
Dies i@ aber gerade die Formel des categori$"en Impe-
rativs und das Princip der Sittli"keit: al$o i@ ein
freyer Wi}e und ein Wi}e unter $ittli"en Ge$e{en
[20]einerley.

Wenn al$o Freyheit des Wi}ens vorausge$e{t wird,
$o folgt die Sittli"keit $amt ihrem Princip daraus,
dur" bloße Zergliederung ihres Begri's. Inde=en i@
das le{tere do" immer ein $yntheti$"er Sa{: ein $"le"-
[25]terdings guter Wi}e i@ derjenige, de=en Maxime jeder-
zeit $i" $elb@, als a}gemeines Ge$e{ betra"tet, in $i"

98 [4:446-447]
Ganz Nach ObenInhaltsverzeichnis
Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

enthalten kann, denn dur" Zergliederung des Begri's
von einem $"le"thin guten Wi}en, kann jene Eigen-
$"aft der Maxime ni"t gefunden werden. Sol"e $yn-
theti$"e S%{e $ind aber nur dadur" m~gli", daß bei-
[5]de Erkenntni=e dur" die Verkn|pfung mit einem dritten,
darin $ie beider$eits anzutre'en $ind, unter einander
verbunden werden. Der po$itive Begri' der Freyheit
$"a't die$es dritte, wel"es ni"t, wie bey den phy$i-
$"en Ur$a"en, die Natur der Sinnenwelt $eyn kann,
[10](in deren Begri' die Begri'e von etwas als Ur$a", in
Verh%ltniß auf etwas anderes als Wirkung, zu$ammen-
kommen). Was die$es dritte $ey, worauf uns die Frey-
heit wei$et, und von dem wir a priori eine Idee haben,
l%ßt $i" hier $ofort no" ni"t anzeigen, und die Dedu-
[15]ction des Begri's der Freyheit aus der reinen practi$"en
Vernunft, mit ihr au" die M~gli"keit eines categori-
$"en Imperativs, begreifli" ma"en, $ondern bedarf no"
einiger Vorbereitung.

Freyheit
[20]
muß als Eigen$"aft des Wi}ens
a}er vern|nftigen We$en
vorausge$e{t werden.

Es i@ ni"t genug, daß wir un$erem Wi}en, es
$ey aus wel"em Grunde, Freyheit zu$"reiben, wenn
[25]wir ni"t ebendie$elbe au" a}en vern|nftigen We$en bey-

99 [4:447]
Ganz Nach ObenInhaltsverzeichnis
Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

zulegen hinrei"enden Grund haben. Denn da Sittli"-
keit f|r uns bloß als f|r vern|nftige We$en zum Ge$e{e
dient, $o muß $ie au" f|r a}e vern|nftige We$en gelten, und
da $ie ledigli" aus der Eigen$"aft der Freyheit abgelei-
[5]tet werden muß, $o muß au" Freyheit als Eigen$"aft
des Wi}ens a}er vern|nftigen We$en bewie$en werden,
und es i@ ni"t genug, $ie aus gewi=en vermeintli"en
Erfahrungen von der men$"li"en Natur darzuthun,
(wiewol die$es au" $"le"terdings unm~gli" i@ und le-
[10]digli" a priori dargethan werden kann,) $ondern man
muß $ie als zur Th%tigkeit vern|nftiger und mit einem
Wi}en begabter We$en |berhaupt bewei$en. I" $age
nun: Ein jedes We$en, das ni"t anders als unter
der Idee der Freyheit handeln kann, i@ eben darum,
[15]in practi$"er R|#$i"t, wirkli" frey, d. i. es gelten f|r
da=elbe a}e Ge$e{e, die mit der Freyheit unzertrennli" ver-
bunden $ind, eben $o, als ob $ein Wi}e au" an $i"
$elb@, und in der theoreti$"en Philo$ophie g|ltig, f|r frey
erkl%rt w|rde *). Nun behaupte i": daß wir jedem

[20]*) Die$en Weg, die Freyheit nur, als von vern|nftigen We$en
bey ihren Handlungen bloß in der Idee zum Grunde gelegt,
zu un$erer Ab$i"t hinrei"end anzunehmen, $"lage i" deswe-
gen ein, damit i" mi" ni"t verbindli" ma"en d|rfte, die
Freyheit au" in ihrer theoreti$"en Ab$i"t zu bewei$en. Denn
[25]wenn die$es le{tere au" unausgema"t gela=en wird, $o gelten
do" die$elben Ge$e{e f|r ein We$en, das ni"t anders als un-
ter der Idee $einer eigenen Freyheit handeln kann, die ein
We$en, das wirkli" frey w%re, verbinden w|rden. Wir k~n-
nen uns hier al$o von der La@ befreyen, die die Theorie dr|#t.


100 [4:447-448]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

vern|nftigen We$en, das einen Wi}en hat, nothwendig
au" die Idee der Freyheit leihen m|=en, unter der es
a}ein handle. Denn in einem $ol"en We$en denken wir
uns eine Vernunft, die practi$" i@, d. i. Caußalit%t in
[5]An$ehung ihrer Objecte hat. Nun kann man $i" un-
m~gli" eine Vernunft denken, die mit ihrem eigenen
Bewußt$eyn in An$ehung ihrer Urtheile anderw%rts her
eine Lenkung emp+enge, denn alsdenn w|rde das Sub-
ject ni"t $einer Vernunft, $ondern einem Antriebe, die
[10]Be@immung der Urtheilskraft zu$"reiben. Sie muß
$i" $elb@ als Urheberin ihrer Principien an$ehen, unab-
h%ngig von fremden Einfl|=en, folgli" muß $ie als pra-
cti$"e Vernunft, oder als Wi}e eines vern|nftigen We-
$ens, von ihr $elb@ als frey ange$ehen werden; d. i. der
[15]Wi}e de=elben kann nur unter der Idee der Freyheit ein
eigener Wi}e $eyn, und muß al$o in practi$"er Ab$i"t
a}en vern|nftigen We$en beygelegt werden.

Von dem Intere=e,
wel"es den Ideen der Sittli"keit
[20]
anh%ngt.

Wir haben den be@immten Begri' der Sittli"-
keit auf die Idee der Freyheit zule{t zur|#gef|hrt; die$e
aber konnten wir, als etwas Wirkli"es, ni"t einmal
in uns $elb@ und in der men$"li"en Natur bewei$en; wir
[25]$ahen nur, daß wir $ie voraus$e{en m|=en, wenn wir

101 [4:448-449]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

uns ein We$en als vern|nftig und mit Bewußt$eyn $einer
Caußalit%t in An$ehung der Handlungen, d. i. mit einem
Wi}en begabt, uns denken wo}en, und $o +nden wir,
daß wir aus eben dem$elben Grunde jedem mit Vernunft
[5]und Wi}en begabten We$en die$e Eigen$"aft, $i" unter
der Idee $einer Freyheit zum Handeln zu be@immen, bey-
legen m|=en.

Es floß aber aus der Voraus$e{ung die$er Ideen
au" das Bewußt$eyn eines Ge$e{es zu handeln: daß die
[10]$ubjectiven Grunds%{e der Handlungen, d. i. Maximen,
jederzeit $o genommen werden m|=en, daß $ie au" ob-
jectiv, d. i. a}gemein als Grunds%{e, gelten, mithin
zu un$erer eigenen a}gemeinen Ge$e{gebung dienen k~n-
nen. Warum aber $o} i" mi" denn die$em Princip
[15]unterwerfen und zwar als vern|nftiges We$en |berhaupt,
mithin au" dadur" a}e andere mit Vernunft begabte
We$en? I" wi} einr%umen, daß mi" hiezu kein In-
tere=e treibt, denn das w|rde keinen categori$"en Im-
perativ geben; aber i" muß do" hieran nothwendig ein
[20]Intere=e nehmen, und ein$ehen, wie das zugeht; denn
die$es So}en i@ eigentli" ein Wo}en, das unter der
Bedingung f|r jedes vern|nftige We$en gilt, wenn die
Vernunft bey ihm ohne Hinderni=e practi$" w%re; f|r
We$en, die, wie wir, no" dur" Sinnli"keit, als Trieb-
[25]federn anderer Art, a'icirt werden, bey denen es ni"t
immer ge$"ieht, was die Vernunft f|r $i" a}ein thun

102 [4:449]
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w|rde, heißt jene Nothwendigkeit der Handlung nur ein
So}en, und die $ubjective Nothwendigkeit wird von der
objectiven unter$"ieden.

Es $"eint al$o, als $e{ten wir in der Idee der
[5]Freyheit eigentli" das morali$"e Ge$e{, nemli" das
Princip der Autonomie des Wi}ens $elb@, nur voraus,
und k~nnten $eine Realit%t und objective Nothwendigkeit
ni"t f|r $i" bewei$en, und da h%tten wir zwar no" im-
mer etwas ganz Betr%"tli"es dadur" gewonnen, daß
[10]wir wenig@ens das %"te Princip genauer, als wol $on@
ge$"ehen, be@immt h%tten, in An$ehung $einer G|ltig-
keit aber, und der practi$"en Nothwendigkeit, $i" ihm
zu unterwerfen, w%ren wir um ni"ts weiter gekommen;
denn wir k~nnten dem, der uns fragte, warum denn die
[15]A}gemeing|ltigkeit un$erer Maxime, als eines Ge$e{es,
die ein$"r%nkende Bedingung un$erer Handlungen $eyn
m|=e, und worauf wir den Werth gr|nden, den wir
die$er Art zu handeln beylegen, der $o groß $eyn $o}, daß
es |bera} kein h~heres Intere=e geben kann, und wie es
[20]zugehe, daß der Men$" dadur" a}ein $einen pers~nli-
"en Werth zu f|hlen glaubt, gegen den der, eines an-
genehmen oder unangenehmen Zu@andes, f|r ni"ts
zu halten $ey, keine genugthuende Antwort geben.

Zwar +nden wir wol, daß wir an einer pers~nli-
[25]"en Be$"a'enheit ein Intere=e nehmen k~nnen, die gar

103 [4:449-450]
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kein Intere=e des Zu@andes bey $i" f|hrt, wenn jene
uns nur f%hig ma"t, des le{teren theilhaftig zu werden,
im Fa}e die Vernunft die Au@heilung de=elben bewirken
$o}te, d. i. daß die bloße W|rdigkeit, gl|#li" zu $eyn,
[5]au" ohne den Bewegungsgrund, die$er Gl|#$eligkeit
theilhaftig zu werden, f|r $i" intere=iren k~nne: aber
die$es Urtheil i@ in der That nur die Wirkung von der
$"on vorausge$e{ten Wi"tigkeit morali$"er Ge$e{e,
(wenn wir uns dur" die Idee der Freyheit von a}em
[10]empiri$"en Intere=e trennen,) aber, daß wir uns von
die$em trennen, d. i. uns als frey im Handeln betra"-
ten, und $o uns denno" f|r gewi=en Ge$e{en unterwor-
fen halten $o}en, um einen Werth bloß in un$erer Per-
$on zu +nden, der uns a}en Verlu@ de=en, was un$e-
[15]rem Zu@ande einen Werth ver$"a't, verg|ten k~nne,
und wie die$es m~gli" $ey, mithin woher das morali-
$"e Ge$e{ verbinde, k~nnen wir auf $ol"e Art no"
ni"t ein$ehen.

Es zeigt $i" hier, man muß es frey ge@ehen, eine
[20]Art von Cirkel, aus dem, wie es $"eint, ni"t heraus
zu kommen i@. Wir nehmen uns in der Ordnung der
wirkenden Ur$a"en als frey an, um uns in der Ord-
nung der Zwe#e unter $ittli"en Ge$e{en zu denken, und
wir denken uns na"her als die$en Ge$e{en unterworfen,
[25]weil wir uns die Freyheit des Wi}ens beygelegt haben, denn
Freyheit und eigene Ge$e{gebung des Wi}ens $ind bei-

104 [4:450]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

des Autonomie, mithin We"$elbegri'e, davon aber
einer eben um deswi}en ni"t dazu gebrau"t werden
kann, um den anderen zu erkl%ren und von ihm Grund
anzugeben, $ondern h~"@ens nur, um, in logi$"er Ab-
[5]$i"t, ver$"ieden $"einende Vor@e}ungen von eben dem-
$elben Gegen@ande auf einen einzigen Begri' (wie ver-
$"iedne Br|"e glei"es Inhalts auf die klein@en Aus-
dr|#e,) zu bringen.

Eine Auskunft bleibt uns aber no" |brig, nem-
[10]li" zu $u"en: ob wir, wenn wir uns, dur" Freyheit,
als a priori wirkende Ur$a"en denken, ni"t einen
anderen Standpunct einnehmen, als wenn wir uns $elb@
na" un$eren Handlungen als Wirkungen, die wir vor un-
$eren Augen $ehen, uns vor@e}en.

[15]Es i@ eine Bemerkung, wel"e anzu@e}en eben
kein $ubtiles Nachdenken erfodert wird, $ondern von der
man annehmen kann, daß $ie wol der gemein@e Ver-
@and, obzwar, na" $einer Art, dur" eine dunkele
Unter$"eidung der Urtheilskraft, die er Gef|hl nennt,
[20]ma"en mag: daß a}e Vor@e}ungen, die uns ohne un-
$ere Wi}k|hr kommen, (wie die der Sinne,) uns die Ge-
gen@%nde ni"t anders zu erkennen geben, als $ie uns
a'iciren, wobey, was $ie an $i" $eyn m~gen, uns un-
bekannt bleibt, mithin daß, was die$e Art Vor@e}ungen
[25]betri't, wir dadur", au" bey der ange@rengte@en Auf-

105 [4:450-451]
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merk$amkeit und Deutli"keit, die der Ver@and nur im-
mer hinzuf|gen mag, do" bloß zur Erkenntniß der Er-
$"einungen, niemals der Dinge an $i" $elb@ ge-
langen k~nnen. Sobald die$er Unter$"ied (a}enfa}s
[5]bloß dur" die bemerkte Ver$"iedenheit zwi$"en den Vor-
@e}ungen, die uns anders woher gegeben werden, und
dabey wir leidend $ind, von denen, die wir ledigli" aus
uns $elb@ hervorbringen, und dabey wir un$ere Th%tigkeit
bewei$en,) einmal gema"t i@, $o folgt von $elb@, daß
[10]man hinter den Er$"einungen do" no" etwas anderes,
was ni"t Er$"einung i@, nemli" die Dinge an $i", ein-
r%umen und annehmen m|=e, ob wir glei" uns von
$elb@ be$"eiden, daß, da $ie uns niemals bekannt wer-
den k~nnen, $ondern immer nur, wie $ie uns a'iciren,
[15]wir ihnen ni"t n%her treten, und was $ie an $i" $ind, nie-
mals wi=en k~nnen. Die$es muß eine, obzwar rohe, Un-
ter$"eidung einer Sinnenwelt von der Ver@ande$-
welt abgeben, davon die er@ere, na" Ver$"iedenheit der
Sinnli"keit in man"erley Weltbe$"auern, au" $ehr
[20]ver$"ieden $eyn kann, inde=en die zweyte, die ihr zum
Grunde liegt, immer die$elbe bleibt. So gar $i" $elb@
und zwar na" der Kenntniß, die der Men$" dur" in-
nere Emp+ndung von $i" hat, darf er $i" ni"t an-
maßen zu erkennen, wie er an $i" $elb@ $ey. Denn da
[25]er do" $i" $elb@ ni"t glei"$am $"a't, und $einen Begri'
ni"t a priori, $ondern empiri$" bek~mmt, $o i@ nat|r-
li", daß er au" von $i" dur" den innern Sinn und

106 [4:451]
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folgli" nur dur" die Er$"einung $einer Natur, und die
Art, wie $ein Bewußt$eyn a'icirt wird, Kund$"aft ein-
ziehen k~nne, inde=en er do" nothwendiger Wei$e |ber
die$e aus lauter Er$"einungen zu$ammenge$e{te Be$"af-
[5]fenheit $eines eigenen Subjects no" etwas anderes zum
Grunde liegendes, nemli" $ein I", $o wie es an $i"
$elb@ be$"a'en $eyn mag, annehmen, und $i" al$o in
Ab$i"t auf die bloße Wahrnehmung und Empf%ngli"keit
der Emp+ndungen zur Sinnenwelt, in An$ehung de=en
[10]aber, was in ihm reine Th%tigkeit $eyn mag, (de=en, was
gar ni"t dur" A'icirung der Sinne, $ondern unmit-
telbar zum Bewußt$eyn gelangt,) $i" zur inte}ectue}en
Welt z%hlen muß, die er do" ni"t weiter kennt.

Derglei"en S"luß muß der na"denkende Men$"
[15]von a}en Dingen, die ihm vorkommen m~gen, f%}en;
vermuthli" i@ er au" im gemein@en Ver@ande anzutref-
fen, der, wie bekannt, $ehr geneigt i@, hinter den Ge-
gen@%nden der Sinne no" immer etwas Un$i"tbares,
f|r $i" $elb@ Th%tiges, zu erwarten, es aber wiederum
[20]dadur" verdirbt, daß er die$es Un$i"tbare $i" bald
wiederum ver$innli"t, d. i. zum Gegen@ande der An-
$"auung ma"en wi}, und dadur" al$o ni"t um einen
Grad kl|ger wird.

Nun +ndet der Men$" in $i" wirkli" ein Verm~-
[25]gen, dadur" er $i" von a}en andern Dingen, ja von

107 [4:451-452]
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$i" $elb@, $o fern er dur" Gegen@%nde a'icirt wird,
unter$"eidet, und das i@ die Vernunft. Die$e, als
reine Selb@th%tigkeit, i@ $ogar darin no" |ber den Ver-
@and erhoben: daß, obglei" die$er au" Selb@th%tig-
[5]keit i@, und ni"t, wie der Sinn, bloß Vor@e}ungen
enth%lt, die nur ent$pringen, wenn man von Dingen
a'icirt (mithin leidend) i@, er denno" aus $einer Th%-
tigkeit keine andere Begri'e hervorbringen kann, als die,
$o bloß dazu dienen, um die $innli"en Vor@e}ungen
[10]unter Regeln zu bringen und $ie dadur" in einem
Bewußt$eyn zu vereinigen, ohne wel"en Gebrau" der
Sinnli"keit er gar ni"ts denken w|rde, da hingegen die
Vernunft unter dem Namen der Ideen eine $o reine
Spontaneit%t zeigt, daß er dadur" weit |ber a}es,
[15]was ihm Sinnli"keit nur liefern kann, hinausgeht, und
ihr vornehm@es Ge$"%fte darin bewei$et, Sinnenwelt
und Ver@andeswelt von einander zu unter$"eiden, da-
dur" aber dem Ver@ande $elb@ $eine S"ranken vor-
zuzei"nen.

[20]Um deswi}en muß ein vern|nftiges We$en $i"
$elb@, als Inte}igenz, (al$o ni"t von Seiten $einer
untern Kr%fte,) ni"t als zur Sinnen-, $ondern zur Ver-
@andeswelt geh~rig, an$ehen; mithin hat es zwey Stand-
puncte, daraus es $i" $elb@ betra"ten, und Ge$e{e des
[25]Gebrau"s $einer Kr%fte, folgli" a}er $einer Handlun-
gen, erkennen kann, einmal, $o fern es zur Sinnenwelt

108 [4:452]
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geh~rt, unter Naturge$e{en (Heteronomie), zweytens,
als zur inte}igibelen Welt geh~rig, unter Ge$e{en, die,
von der Natur unabh%ngig, ni"t empiri$", $ondern
bloß in der Vernunft gegr|ndet $eyn.

[5]Als ein vern|nftiges, mithin zur inte}igibelen
Welt geh~riges We$en, kann der Men$" die Caußalit%t
$eines eigenen Wi}ens niemals anders als unter der Idee
der Freyheit denken; denn Unabh%ngigkeit von den be-
@immten Ur$a"en der Sinnenwelt, (derglei"en die Ver-
[10]nunft jederzeit $i" $elb@ beylegen muß,) i@ Freyheit.
Mit der Idee der Freyheit i@ nun der Begri' der Au-
tonomie unzertrennli" verbunden, mit die$em aber das
a}gemeine Princip der Sittli"keit, wel"es in der Idee
a}en Handlungen vern|nftiger We$en eben $o zum
[15]Grunde liegt, als Naturge$e{ a}en Er$"einungen.

Nun i@ der Verda"t, den wir oben rege ma"ten,
gehoben, als w%re ein geheimer Cirkel in un$erem
S"lu=e aus der Freyheit auf die Autonomie und aus
die$er aufs $ittli"e Ge$e{ enthalten, daß wir nemli"
[20]vie}ei"t die Idee der Freyheit nur um des $ittli"en Ge-
$e{es wi}en zum Grunde legten, um die$es na"her aus
der Freyheit wiederum zu $"ließen, mithin von jenem
gar keinen Grund angeben k~nnten, $ondern es nur als
Erbittung eines Princips, das uns gutge$innte Seelen
[25]wol gerne einr%umen werden, wel"es wir aber nie-

109 [4:452-453]
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mals als einen erweisli"en Sa{ auf@e}en k~nnten. Denn
je{t $ehen wir, daß, wenn wir uns als frey denken, $o
ver$e{en wir uns als Glieder in die Ver@andeswelt, und
erkennen die Autonomie des Wi}ens, $amt ihrer Fol-
[5]ge, der Moralit%t; denken wir uns aber als verpfli"tet,
$o betra"ten wir uns als zur Sinnenwelt und do"
zuglei" zur Ver@andeswelt geh~rig.

Wie i@ ein categori$"er Imperativ
m~gli"?

[10]Das vern|nftige We$en z%hlt $i" als Inte}igenz
zur Ver@andeswelt, und, bloß als eine zu die$er geh~rige
wirkende Ur$a"e, nennt es $eine Caußalit%t einen Wil-
len. Von der anderen Seite i@ es $i" $einer do" au"
als eines St|#s der Sinnenwelt bewußt, in wel"er $eine
[15]Handlungen, als bloße Er$"einungen jener Caußalit%t,
angetro'en werden, deren M~gli"keit aber aus die$er,
die wir ni"t kennen, ni"t einge$ehen werden kann, $on-
dern an deren Statt jene Handlungen als be@immt dur"
andere Er$"einungen, nemli" Begierden und Neigun-
[20]gen, als zur Sinnenwelt geh~rig, einge$ehen werden m|=en.
Als bloßen Gliedes der Ver@andeswelt w|rden al$o a}e
meine Handlungen dem Princip der Autonomie des rei-
nen Wi}ens vo}kommen gem%ß $eyn; als bloßen St|#s
der Sinnenwelt w|rden $ie g%nzli" dem Naturge$e{ der
[25]Begierden und Neigungen, mithin der Heteronomie der

110 [4:453]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Natur gem%ß genommen werden m|=en. (Die er@eren
w|rden auf dem ober@en Princip der Sittli"keit, die
zweyten der Gl|#$eligkeit, beruhen.) Weil aber die
Ver@andeswelt den Grund der Sinnenwelt, mit-
[5]hin au" der Ge$e{e der$elben, enth%lt, al$o in An$e-
hung meines Wi}ens (der ganz zur Ver@andeswelt ge-
h~rt,) unmittelbar ge$e{gebend i@, und al$o au" als $ol"e
geda"t werden muß, $o werde i" mi" als Inte}igenz,
obglei" anderer$eits wie ein zur Sinnenwelt geh~riges
[10]We$en, denno" dem Ge$e{e der er@eren, d. i. der Ver-
nunft, die in der Idee der Freyheit das Ge$e{ der$elben
enth%lt, und al$o der Autonomie des Wi}ens unterwor-
fen erkennen, folgli" die Ge$e{e der Ver@andeswelt f|r
mi" als Imperativen und die die$em Princip gem%ße
[15]Handlungen als Pfli"ten an$ehen m|=en.

Und $o $ind categori$"e Imperativen m~gli", da-
dur", daß die Idee der Freyheit mi" zu einem Gliede
einer inte}igibelen Welt ma"t, wodur", wenn i" $ol-
"es a}ein w%re, a}e meine Handlungen der Autonomie
[20]des Wi}ens jederzeit gem%ß $eyn w|rden, da i" mi"
aber zuglei" als Glied der Sinnenwelt an$"aue, gem%ß
$eyn $o}en, wel"es categori$"e So}en einen $yntheti-
$"en Sa{ a priori vor@e}t, dadur", daß |ber meinen
dur" $innli"e Begierden a'icirten Wi}en no" die Idee
[25]ebende=elben, aber zur Ver@andeswelt geh~rigen, rei-
nen, f|r $i" $elb@ practi$"en Wi}ens hinzukommt, wel-

111 [4:453-454]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

"er die ober@e Bedingung des er@eren na" der Ver-
nunft enth%lt; ohngef%hr $o, wie zu den An$"auungen
der Sinnenwelt Begri'e des Ver@andes, die f|r $i"
$elb@ ni"ts als ge$e{li"e Form |berhaupt bedeuten,
[5]hinzu kommen, und dadur" $yntheti$"e S%{e a priori,
auf wel"en a}e Erkenntniß einer Natur beruht, m~g-
li" ma"en.

Der practi$"e Gebrau" der gemeinen Men$"en-
vernunft be@%tigt die Ri"tigkeit die$er Deduction. Es
[10]i@ niemand, $elb@ der %rg@e B~$ewi"t, wenn er nur
$on@ Vernunft zu brau"en gewohnt i@, der ni"t, wenn
man ihm Bey$piele der Redli"keit in Ab$i"ten, der
Standhaftigkeit in Befolgung guter Maximen, der Theil-
nehmung und des a}gemeinen Wohlwo}ens, (und no"
[15]dazu mit großen Aufopferungen von Vortheilen und Ge-
m%"li"keit verbunden,) vorlegt, ni"t w|n$"e, daß er
au" $o ge$innt $eyn m~"te. Er kann es aber nur we-
gen $einer Neigungen und Antriebe ni"t wohl in $i" zu
Stande bringen; wobey er denno" zuglei" w|n$"t, von
[20]$ol"en ihm $elb@ l%@igen Neigungen frey zu $eyn. Er
bewei$et hiedur" al$o, daß er mit einem Wi}en, der
von Antrieben der Sinnli"keit frey i@, $i" in Gedanken
in eine ganz andere Ordnung der Dinge ver$e{e, als die
$einer Begierden im Felde der Sinnli"keit, weil er von
[25]jenem Wun$"e keine Vergn|gung der Begierden, mit-
hin keinen f|r irgend eine $einer wirkli"en oder $on@

112 [4:454]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

erdenkli"en Neigungen befriedigenden Zu@and, (denn
dadur" w|rde $elb@ die Idee, wel"e ihm den Wun$"
ablo#t, ihre Vorz|gli"keit einb|ßen,) $ondern nur einen
gr~ßeren inneren Werth $einer Per$on erwarten kann. Die$e
[5]be=ere Per$on glaubt er aber zu $eyn, wenn er $i" in den
Standpunct eines Gliedes der Ver@andeswelt ver$e{t, dazu
die Idee der Freyheit d. i. Unabh%ngigkeit von be@immen-
den Ur$a"en der Sinnenwelt ihn unwi}k|hrli" n~thigt, und
in wel"em er $i" eines guten Wi}ens bewußt i@, der
[10]f|r $einen b~$en Wi}en, als Gliedes der Sinnenwelt,
na" $einem eigenen Ge@%ndni=e das Ge$e{ ausma"t,
de=en An$ehen er kennt, indem er es |bertritt. Das
morali$"e So}en i@ al$o eigenes nothwendiges Wo}en
als Gliedes einer inte}igibelen Welt, und wird nur $o fern
[15]von ihm als So}en geda"t, als er $i" zuglei" wie ein
Glied der Sinnenwelt betra"tet.

Von
der %ußer@en Grenze
a}er practi$"en Philo$ophie.

[20]A}e Men$"en denken $i" dem Wi}en na" als
frey. Daher kommen a}e Urtheile |ber Handlungen
als $ol"e, die h%tten ge$"ehen $o}en, ob $ie glei"
ni"t ge$"ehen $ind. Glei"wol i@ die$e Freyheit kein
Erfahrungsbegri', und kann es au" ni"t $eyn, weil er
[25]immer bleibt, obglei" die Erfahrung das Gegentheil

113 [4:454-455]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

von denjenigen Foderungen zeigt, die unter Voraus$e-
{ung der$elben als nothwendig vorge@e}t werden. Auf
der anderen Seite i@ es eben $o nothwendig, daß a}es,
was ge$"ieht, na" Naturge$e{en unausbleibli" be@immt
[5]$ey, und die$e Naturnothwendigkeit i@ au" kein Erfah-
rungsbegri', eben darum, weil er den Begri' der Noth-
wendigkeit, mithin einer Erkenntniß a priori, bey $i"
f|hret. Aber die$er Begri' von einer Natur wird dur"
Erfahrung be@%tigt, und muß $elb@ unvermeidli" voraus-
[10]ge$e{t werden, wenn Erfahrung, d. i. na" a}gemeinen
Ge$e{en zu$ammenh%ngende Erkenntniß der Gegen@%nde
der Sinne, m~gli" $eyn $o}. Daher i@ Freyheit nur
eine Idee der Vernunft, deren objective Realit%t an
$i" zweifelhaft i@, Natur aber ein Ver@andesbegri',
[15]der $eine Realit%t an Bey$pielen der Erfahrung bewei$et
und nothwendig bewei$en muß.

Ob nun glei" hieraus eine Dialectik der Vernunft
ent$pringt, da in An$ehung des Wi}ens die ihm beyge-
legte Freyheit mit der Naturnothwendigkeit im Wider-
[20]$pru" zu @ehen $"eint, und, bey die$er Wege$"eidung,
die Vernunft in $peculativer Ab$i"t den Weg der Na-
turnothwendigkeit viel geb%hnter und brau"barer +ndet,
als den der Freyheit: $o i@ do" in practi$"er Ab$i"t
der Fuß@eig der Freyheit der einzige, auf wel"em es
[25]m~gli" i@, von $einer Vernunft bey un$erem Thun und
La=en Gebrau" zu ma"en; daher wird es der $ubtil@en

114 [4:455-456]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

Philo$ophie eben $o unm~gli", wie der gemein@en Men-
$"envernunft, die Freyheit wegzuvern|nfteln. Die$e
muß al$o wol voraus$e{en: daß kein wahrer Wider-
$pru" zwi$"en Freyheit und Naturnothwendigkeit eben-
[5]der$elben men$"li"en Handlungen angetro'en werde,
denn $ie kann eben $o wenig den Begri' der Natur, als
den der Freyheit aufgeben.

Inde=en muß die$er S"einwider$pru" wenig@ens
auf |berzeugende Art vertilgt werden, wenn man glei",
[10]wie Freyheit m~gli" $ey, niemals begreifen k~nnte.
Denn, wenn $ogar der Gedanke von der Freyheit $i"
$elb@, oder der Natur, die eben $o nothwendig i@, wi-
der$pri"t, $o mußte $ie gegen die Naturnothwendigkeit
dur"aus aufgegeben werden.

[15]Es i@ aber unm~gli", die$em Wider$pru" zu entge-
hen, wenn das Subject, was $i" frey d|nkt, $i" $elb@
in dem$elben Sinne, oder in eben dem$elben Ver-
h%ltni=e d%"te, wenn es $i" frey nennt, als wenn es
$i" in Ab$i"t auf die nemli"e Handlung dem Naturge-
[20]$e{e unterworfen annimmt. Daher i@ es eine unna"-
laßli"e Aufgabe der $peculativen Philo$ophie: wenig@ens
zu zeigen, daß ihre T%u$"ung wegen des Wider$pru"s
darin beruhe, daß wir den Men$"en in einem anderen
Sinne und Verh%ltni=e denken, wenn wir ihn frey nen-
[25]nen, als wenn wir ihn, als St|# der Natur, die$er

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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

ihren Ge$e{en f|r unterworfen halten, und daß beide
ni"t a}ein gar wohl bey$ammen @ehen k~nnen, $ondern
au" als nothwendig vereinigt, in dem$elben Subject
geda"t werden m|=en, weil $on@ ni"t Grund angege-
[5]ben werden k~nnte, warum wir die Vernunft mit einer
Idee bel%@igen $o}ten, die, ob $ie $i" glei" ohne Wi-
der$pru" mit einer anderen genugsam bew%hrten verei-
nigen l%ßt, denno" uns in ein Ge$"%fte verwi#elt, wo-
dur" die Vernunft in ihrem theoreti$"en Gebrau"e $ehr
[10]in die Enge gebra"t wird. Die$e Pfli"t liegt aber bloß
der $peculativen Philo$ophie ob, damit $ie der practi-
$"en freye Bahn $"a'e. Al$o i@ es ni"t in das Belie-
ben des Philo$ophen ge$e{t, ob er den $"einbaren Wider-
@reit heben, oder ihn unanger|hrt la=en wi}; denn im
[15]le{teren Fa}e i@ die Theorie hier|ber bonum vacans, in
de=en Be$i{ $i" der Fatali@ mit Grunde $e{en und a}e
Moral aus ihrem ohne Titel be$e=enem vermeinten Ei-
genthum verjagen kann.

Do" kann man hier no" ni"t $agen, daß die
[20]Grenze der practi$"en Philo$ophie anfange. Denn jene
Beylegung der Streitigkeit geh~rt gar ni"t ihr zu, $on-
dern $ie fodert nur von der $peculativen Vernunft, daß
die$e die Uneinigkeit, darin $ie $i" in theoreti$"en Fra-
gen $elb@ verwi#elt, zu Ende bringe, damit practi$"e
[25]Vernunft Ruhe und Si"erheit f|r %ußere Angri'e habe,
die ihr den Boden, worauf $ie $i" anbauen wi}, @rei-
tig ma"en k~nnten.

116 [4:456-457]
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Der Re"t$an$pru" aber, $elb@ der gemeinen Men-
$"envernunft, auf Freyheit des Wi}ens, gr|ndet $i" auf
das Bewußt$eyn und die zuge@andene Voraus$e{ung
der Unabh%ngigkeit der Vernunft, von bloß $ubjectiv-
[5]be@immten Ur$a"en, die insge$amt das ausma"en,
was bloß zur Emp+ndung, mithin unter die a}gemeine
Benennung der Sinnli"keit, geh~rt. Der Men$", der
$i" auf $ol"e Wei$e als Inte}igenz betra"tet, $e{t $i"
dadur" in eine andere Ordnung der Dinge und in ein
[10]Verh%ltniß zu be@immenden Gr|nden von ganz ande-
rer Art, wenn er $i" als Inte}igenz mit einem Wi}en,
folgli" mit Caußalit%t begabt, denkt, als wenn er $i"
wie Ph%nomen in der Sinnenwelt (wel"es er wirkli"
au" i@,) wahrnimmt, und $eine Caußalit%t, %ußerer Be-
[15]@immung na", Naturge$e{en unterwirft. Nun wird
er bald inne, daß beides zuglei" @att+nden k~nne, ja
$ogar m|=e. Denn, daß ein Ding in der Er$"einung,
(das zur Sinnenwelt geh~rig,) gewi=en Ge$e{en unter-
worfen i@, von wel"en eben da=elbe, als Ding oder
[20]We$en an $i" $elb@, unabh%ngig i@, enth%lt ni"t den
minde@en Wider$pru"; daß er $i" $elb@ aber auf die$e
zwiefa"e Art vor@e}en und denken m|=e, beruht, was
das er@e betri't, auf dem Bewußt$eyn $einer $elb@ als
dur" Sinne a'icirten Gegen@andes, was das zweyte
[25]anlangt, auf dem Bewußt$eyn $einer $elb@ als Inte}i-
genz, d. i. als unabh%ngig im Vernunftgebrau" von $innli-
"en Eindr|#en, (mithin als zur Ver@andeswelt geh~rig).

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Daher kommt es, daß der Men$" $i" eines Wil-
lens anmaßt, der ni"ts auf $eine Re"nung kommen
l%ßt, was bloß zu $einen Begierden und Neigungen ge-
h~rt, und dagegen Handlungen dur" $i" als m~gli", ja
[5]gar als nothwendig, denkt, die nur mit Hintan$e{ung
a}er Begierden und $innli"en Anreizungen ge$"ehen k~nnen.
Die Caußalit%t der$elben liegt in ihm als Inte}igenz und
in den Ge$e{en der Wirkungen und Handlungen na"
Principien einer inte}igibelen Welt, von der er wol
[10]ni"ts weiter weiß, als daß darin ledigli" die Vernunft,
und zwar reine, von Sinnli"keit unabh%ngige Vernunft,
das Ge$e{ gebe, imglei"en da er da$elb@ nur als In-
te}igenz das eigentli"e Selb@ (als Men$" hingegen nur
Er$"einung $einer $elb@) i@, jene Ge$e{e ihn unmittel-
[15]bar und categori$" angehen, $o daß, wozu Neigungen
und Antriebe (mithin die ganze Natur der Sinnenwelt)
anreizen, den Ge$e{en $eines Wo}ens, als Inte}igenz,
keinen Abbru" thun k~nnen, $o gar, daß er die er@ere
ni"t verantwortet und $einem eigentli"en Selb@, d. i.
[20]$einem Wi}en ni"t zu$"reibt, wol aber die Nach$i"t,
die er gegen $ie tragen m~"te, wenn er ihnen, zum Nach-
theil der Vernunftge$e{e des Wi}ens, Einfluß auf $eine
Maximen einr%umete.

Dadur", daß die practi$"e Vernunft $i" in eine
[25]Ver@andeswelt hinein denkt; |ber$"reitet $ie gar ni"t
ihre Grenzen, wol aber, wenn $ie $i" hinein$"auen,
hineinemp+nden wo}te. Jenes i@ nur ein negativer

118 [4:457-458]
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Gedanke, in An$ehung der Sinnenwelt, die der Ver-
nunft in Be@immung des Wi}ens keine Ge$e{e giebt, und
nur in die$em einzigen Puncte po$itiv, daß jene Freyheit,
als negative Be@immung, zuglei" mit einem (po$itiven)
[5]Verm~gen und $ogar mit einer Caußalit%t der Vernunft
verbunden $ey, wel"e wir einen Wi}en nennen, $o zu
handeln, daß das Princip der Handlungen der we$ent-
li"en Be$"a'enheit einer Vernunftur$a"e, d. i. der
Bedingung der A}gemeing|ltigkeit der Maxime, als
[10]eines Ge$e{es, gem%ß $ey. W|rde $ie aber no" ein Ob-
ject des Wi}ens, d. i. eine Bewegur$a"e aus der
Ver@andeswelt herholen, $o |ber$"ritte $ie ihre Grenzen,
und maßte $i" an, etwas zu kennen, wovon $ie ni"ts
weiß. Der Begri' einer Ver@andeswelt i@ al$o nur
[15]ein Standpunct, den die Vernunft $i" gen~thigt $ieht
außer den Er$"einungen zu nehmen, um $i" $elb@ als
practi$" zu denken, wel"es, wenn die Einfl|=e der
Sinnli"keit f|r den Men$"en be@immend w%ren, ni"t
m~gli" $eyn w|rde, wel"es aber do" nothwendig i@,
[20]wofern ihm ni"t das Bewußt$eyn $einer $elb@, als In-
te}igenz, mithin als vern|nftige und dur" Vernunft
th%tige, d. i. frey wirkende Ur$a"e, abge$pro"en wer-
den $o}. Die$er Gedanke f|hrt freyli" die Idee einer
anderen Ordnung und Ge$e{gebung, als die des Na-
[25]turme"anismus, der die Sinnenwelt tri't, herbey, und
ma"t den Begri' einer inte}igibelen Welt (d. i. das
Ganze vern|nftiger We$en, als Dinge an $i" $elb@,) noth-

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wendig, aber ohne die minde@e Anmaßung, hier weiter,
als bloß ihrer formalen Bedingung na", d. i. der A}-
gemeinheit der Maxime des Wi}ens, als Ge$e{e, mithin
der Autonomie des le{teren, die a}ein mit der Freyheit
[5]de=elben be@ehen kann, gem%ß zu denken; da hinge-
gen a}e Ge$e{e, die auf ein Object be@immt $ind, He-
teronomie geben, die nur an Naturge$e{en angetro'en
werden und au" nur die Sinnenwelt tre'en kann.

Aber alsdenn w|rde die Vernunft a}e ihre Grenze
[10]|ber$"reiten, wenn $ie es $i" zu erkl%ren unter+nge,
wie reine Vernunft practi$" $eyn k~nne, wel"es v~}ig
einerley mit der Aufgabe $eyn w|rde, zu erkl%ren, wie
Freyheit m~gli" $ey.

Denn wir k~nnen ni"ts erkl%ren, als was wir auf
[15]Ge$e{e zur|#f|hren k~nnen, deren Gegen@and in irgend
einer m~gli"en Erfahrung gegeben werden kann. Frey-
heit aber i@ eine bloße Idee, deren objective Realit%t
auf keine Wei$e na" Naturge$e{en, mithin au" ni"t
in irgend einer m~gli"en Erfahrung, dargethan werden
[20]kann, die al$o darum, weil ihr $elb@ niemals na" ir-
gend einer Analogie ein Bey$piel untergelegt werden mag,
niemals begri'en, oder au" nur einge$ehen werden kann.
Sie gilt nur als nothwendige Voraus$e{ung der Ver-
nunft in einem We$en, das $i" eines Wi}ens, d. i. ei-
[25]nes vom bloßen Begehrungsverm~gen no" ver$"iedenen
Verm~gens, (nemli" $i" zum Handeln als Inte}igenz,
mithin na" Ge$e{en der Vernunft, unabh%ngig von

120 [4:458-459]
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Naturin@incten, zu be@immen,) bewußt zu $eyn glaubt.
Wo aber Be@immung na" Naturge$e{en aufh~rt, da
h~rt au" a}e Erkl%rung auf, und es bleibt ni"ts |brig,
als Vertheidigung, d. i. Abtreibung der Einw|rfe de-
[5]rer, die tiefer in das We$en der Dinge ge$"aut zu ha-
ben vorgeben, und darum die Freyheit dreu@ vor unm~g-
li" erkl%ren. Man kann ihnen nur zeigen, daß der
vermeintli" von ihnen darin entde#te Wider$pru" nir-
gend anders liege, als darin, daß, da $ie, um das
[10]Naturge$e{ in An$ehung men$"li"er Handlungen gel-
tend zu ma"en, den Men$"en nothwendig als Er$"ei-
nung betra"ten mußten, und nun, da man von ihnen
fodert, daß $ie ihn als Inte}igenz au" als Ding
an $i" $elb@, denken $o}ten, $ie ihn immer au" da no"
[15]als Er$"einung betra"ten, wo denn freyli" die Ab$on-
derung $einer Caußalit%t (d. i. $eines Wi}ens) von a}en
Naturge$e{en der Sinnenwelt in einem und dem$elben
Subjecte im Wider$pru"e @ehen w|rde, wel"er aber
wegf%}t, wenn $ie $i" be$innen, und, wie bi}ig, einge-
[20]@ehen wo}ten, daß hinter den Er$"einungen do" die
Sa"en an $i" $elb@ (obzwar verborgen,) zum Grunde
liegen m|=en, von deren Wirkungsge$e{en man ni"t ver-
langen kann, daß $ie mit denen einerley $eyn $o}ten, un-
ter denen ihre Er$"einungen @ehen.

[25]Die $ubjective Unm~gli"keit, die Freyheit des
Wi}ens zu erkl%ren, i@ mit der Unm~gli"keit, ein In-

121 [4:459]
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tere=e *) aus+ndig und begreifli" zu ma"en, wel"es
der Men$" an morali$"en Ge$e{en nehmen k~nne, einer-
ley; und glei"wol nimmt er wirkli" daran ein Inter-
e=e, wozu wir die Grundlage in uns das morali$"e Ge-
[5]f|hl nennen, wel"es f%l$"li" f|r das Ri"tmaaß un-
$erer $ittli"en Beurtheilung von einigen ausgegeben wor-
den, da es vielmehr als die $ubjective Wirkung, die
das Ge$e{ auf den Wi}en aus|bt, ange$ehen werden muß,
wozu Vernunft a}ein die objectiven Gr|nde hergiebt.

[10]Um das zu wo}en, wozu die Vernunft a}ein dem
$innli"-a'icirten vern|nftigen We$en das So}en vor-
$"reibt, dazu geh~rt freyli" ein Verm~gen der Vernunft,
ein Gef|hl der Lu@ oder des Wohlgefa}ens an der
Erf|}ung der Pfli"t einzufl~ßen, mithin eine Caußali-

[15]*) Intere=e i@ das, wodur" Vernunft practi$", d. i. eine den
Wi}en be@immende Ur$a"e wird. Daher $agt man nur von
einem, vern|nftigen We$en, daß es woran ein Intere=e nehme,
vernunftlo$e Ge$"~pfe f|hlen nur $innli"e Antriebe. Ein un-
mittelbares Intere=e nimmt die Vernunft nur alsdenn an der
[20]Handlung, wenn die A}gemeing|ltigkeit der Maxime der$elben
ein gnugsamer Be@immungsgrund des Wi}ens i@. Ein $ol"es
Intere=e i@ a}ein rein. Wenn $ie aber den Wi}en nur vermittel@
eines anderen Objects des Begehrens, oder unter Voraus$e{ung
eines be$onderen Gef|hls des Subjects be@immen kann, $o nimmt
[25]die Vernunft nur ein mittelbares Intere=e an der Handlung, und,
da Vernunft f|r $i" a}ein weder Objecte des Wi}ens, no" ein
be$onderes ihm zu Grunde liegendes Gef|hl ohne Erfahrung
aus+ndig ma"en kann, $o w|rde das le{tere Intere=e nur
empiri$" und kein reines Vernunftintere=e $eyn. Das logi$"e
[30]Intere=e der Vernunft (ihre Ein$i"ten zu bef~rdern,) i@ niemals
unmittelbar, $ondern $e{t Ab$i"ten ihres Gebrau"s voraus.


122 [4:459-460]
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Grundlegung zur Metaphy$ik der Sitten · Dritter Ab$"nitt · Zweyte Auflage (unverbe=ert) 1786

t%t der$elben, die Sinnli"keit ihren Principien gem%ß
zu be@immen. Es i@ aber g%nzli" unm~gli", einzu$ehen,
d. i. a priori begreifli" zu ma"en, wie ein bloßer Ge-
danke, der $elb@ ni"ts Sinnli"es in $i" enth%lt, eine
[5]Emp+ndung der Lu@ oder Unlu@ hervorbringe; denn
das i@ eine be$ondere Art von Caußalit%t, von der, wie
von a}er Caußalit%t, wir gar ni"ts a priori be@immen
k~nnen, $ondern darum a}ein die Erfahrung befragen
m|=en. Da die$e aber kein Verh%ltniß der Ur$a"e zur
[10]Wirkung, als zwi$"en zwey Gegen@%nden der Erfahrung,
an die Hand geben kann, hier aber reine Vernunft dur"
bloße Ideen (die gar keinen Gegen@and f|r Erfahrung
abgeben,) die Ur$a"e von einer Wirkung, die freyli" in
der Erfahrung liegt, $eyn $o}, $o i@ die Erkl%-
[15]rung, wie und warum uns die A}gemeinheit der Maxi-
me als Ge$e{es, mithin die Sittli"keit, intere=ire, uns
Men$"en g%nzli" unm~gli". So viel i@ nur gewiß:
daß es ni"t darum f|r uns G|ltigkeit hat, weil es in-
tere=irt, (denn das i@ Heteronomie und Abh%ngigkeit
[20]der practi$"en Vernunft von Sinnli"keit, nemli" einem
zum Grunde liegenden Gef|hl, wobey $ie niemals $ittli"
ge$e{gebend $eyn k~nnte,) $ondern daß es intere=irt, weil
es f|r uns als Men$"en gilt, da es aus un$erem Wi}en
als Inte}igenz, mithin aus un$erem eigentli"en Selb@,
[25]ent$prungen i@; was aber zur bloßen Er$"einung
geh~rt, wird von der Vernunft nothwendig der Be-
$"a'enheit der Sa"e an $i" $elb@ untergeordnet.

123 [4:460-461]
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Die Frage al$o: wie ein categori$"er Imperativ
m~gli" $ey, kann zwar $o weit beantwortet werden, als
man die einzige Voraus$e{ung angeben kann, unter der
er a}ein m~gli" i@, nemli" die Idee der Freyheit, im-
[5]glei"en als man die Nothwendigkeit die$er Voraus$e{ung
ein$ehen kann, wel"es zum practi$"en Gebrau"e der
Vernunft, d. i. zur Ueberzeugung von der G|ltigkeit
die$es Imperativs, mithin au" des $ittli"en Ge$e{es,
hinrei"end i@, aber wie die$e Voraus$e{ung $elb@ m~g-
[10]li" $ey, l%ßt $i" dur" keine men$"li"e Vernunft jemals
ein$ehen. Unter Voraus$e{ung der Freyheit des Wi}ens
einer Inte}igenz aber i@ die Autonomie de=elben, als
die formale Bedingung, unter der er a}ein be@immt wer-
den kann, eine nothwendige Folge. Die$e Freyheit des
[15]Wi}ens vorauszu$e{en, i@ au", ni"t a}ein (ohne in
Wider$pru" mit dem Princip der Naturnothwendigkeit
in der Verkn|pfung der Er$"einungen der Sinnenwelt zu
gerathen,) ganz wohl m~gli", (wie die $peculative
Philo$ophie zeigen kann,) $ondern au" $ie practi$", d. i.
[20]in der Idee a}en $einen wi}k|hrli"en Handlungen, als
Bedingung, unterzulegen, i@ einem vern|nftigen We$en,
das $i" $einer Caußalit%t dur" Vernunft, mithin eines
Wi}ens (der von Begierden unter$"ieden i@,) bewußt i@,
ohne weitere Bedingung nothwendig. Wie nun aber
[25]reine Vernunft, ohne andere Triebfedern, die irgend
woher $on@en genommen $eyn m~gen, f|r $i" $elb@ pra-
cti$" $eyn, d. i. wie das bloße Princip der A}gemein-

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g|ltigkeit a}er ihrer Maximen als Ge$e{e, (wel"es
freyli" die Form einer reinen practi$"en Vernunft $eyn
w|rde,) ohne a}e Materie (Gegen@and) des Wi}ens,
woran man zum voraus irgend ein Intere=e nehmen d|r-
[5]fe, f|r $i" $elb@ eine Triebfeder abgeben, und ein Inter-
e=e, wel"es rein morali$" heißen w|rde, bewirken,
oder mit anderen Worten: wie reine Vernunft pra-
cti$" $eyn k~nne, das zu erkl%ren, dazu i@ a}e men$"-
li"e Vernunft g%nzli" unverm~gend, und a}e M|he und
[10]Arbeit, hievon Erkl%rung zu $u"en, i@ verlohren.

Es i@ eben da=elbe, als ob i" zu ergr|nden $u"te,
wie Freyheit $elb@ als Caußalit%t eines Wi}ens m~gli"
$ey. Denn da verla=e i" den philo$ophi$"en Erkl%rungs-
grund, und habe keinen anderen. Zwar k~nnte i" nun
[15]in der inte}igibelen Welt, die mir no" |brig bleibt, in
der Welt der Inte}igenzen herum$"w%rmen; aber, ob i"
glei" davon eine Idee habe, die ihren guten Grund hat,
$o habe i" do" von ihr ni"t die minde@e Kenntniß,
und kann au" zu die$er dur" a}e Be@rebung meines
[20]nat|rli"en Vernunftverm~gens niemals gelangen. Sie
bedeutet nur ein Etwas, das da |brig bleibt, wenn i"
a}es, was zur Sinnenwelt geh~ret, von den Be@im-
mungsgr|nden meines Wi}ens ausge$"lo=en habe, bloß
um das Princip der Bewegur$a"en aus dem Felde der
[25]Sinnli"keit einzu$"r%nken, dadur", daß i" es begrenze,
und zeige, daß es ni"t A}es in A}em in $i" fa=e, $on-
dern daß außer ihm no" mehr $ey; die$es Mehrere aber

125 [4:461-462]
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kenne i" ni"t weiter. Von der reinen Vernunft, die
die$es Ideal denkt, bleibt na" Ab$onderung a}er Mate-
rie, d. i. Erkenntniß der Objecte, mir ni"ts, als die Form
|brig, nemli" das practi$"e Ge$e{ der A}gemeing|ltig-
[5]keit der Maximen, und, die$em gem%ß, die Vernunft
in Beziehung auf eine reine Ver@andeswelt als m~gli"e
wirkende, d. i. als den Wi}en be@immende, Ur$a"e zu
denken; die Triebfeder muß hier g%nzli" fehlen; es m|ßte
denn die$e Idee einer inte}igibelen Welt $elb@ die Triebfeder,
[10]oder dasjenige $eyn, woran die Vernunft ur$pr|ngli"
ein Intere=e n%hme; wel"es aber begreifli" zu ma"en
gerade die Aufgabe i@, die wir ni"t aufl~$en k~nnen.

Hier i@ nun die ober@e Grenze a}er morali$"en
Nachfor$"ung; wel"e aber zu be@immen, au" $"on dar-
[15]um von großer Wi"tigkeit i@, damit die Vernunft ni"t
einer$eits in der Sinnenwelt, auf eine den Sitten $"%d-
li"e Art, na" der ober@en Bewegur$a"e und einem be-
greifli"en aber empiri$"en Intere=e herum$u"e, anderer
Seits aber, damit $ie au" ni"t in dem f|r $ie leeren
[20]Raum tran=cendenter Begri'e, unter dem Namen der
inte}igibelen Welt, kraftlos ihre Fl|gel $"winge, ohne
von der Ste}e zu kommen, und $i" unter Hirnge$pin@en
verliere. Uebrigens bleibt die Idee einer reinen Ver@an-
deswelt, als eines Ganzen a}er Inte}igenzen, wozu wir
[25]$elb@, als vern|nftige We$en, (obglei" anderer$eits
zuglei" Glieder der Sinnenwelt,) geh~ren, immer eine
brau"bare und erlaubte Idee zum Behufe eines vern|nf-

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tigen Glaubens, wenn glei" a}es Wi=en an der Grenze
der$elben ein Ende hat, um dur" das herrli"e Ideal
eines a}gemeinen Rei"s der Zwe#e an $i" $elb@, (ver-
n|nftiger We$en,) zu wel"en wir nur alsdann als Glie-
[5]der geh~ren k~nnen, wenn wir uns na" Maximen der
Freyheit, als ob $ie Ge$e{e der Natur w%ren, $orgf%ltig
verhalten, ein lebhaftes Intere=e an dem morali$"en
Ge$e{e in uns zu bewirken.

S"lußanmerkung.

[10]Der $peculative Gebrau" der Vernunft, in An$e-
hung der Natur, f|hrt auf ab$olute Nothwendigkeit
irgend einer ober@en Ur$a"e der Welt; der practi$"e
Gebrau" der Vernunft, in Ab$i"t auf die Freyheit,
f|hrt au" auf ab$olute Nothwendigkeit, aber nur der
[15]Ge$e{e der Handlungen eines vern|nftigen We$ens,
als eines $ol"en. Nun i@ es ein we$entli"es Princip
a}es Gebrau"s un$erer Vernunft, ihr Erkenntniß bis zum
Bewußt$eyn ihrer Nothwendigkeit zu treiben, (denn
ohne die$e w%re $ie ni"t Erkenntniß der Vernunft). Es
[20]i@ aber au" eine eben $o we$entli"e Ein$"r%nkung
eben der$elben Vernunft, daß $ie weder die Nothwen-
digkeit de=en, was da i@, oder was ge$"ieht, no" de$-
$en, was ge$"ehen $o}, ein$ehen kann, wenn ni"t eine
Bedingung, unter der es da i@, oder ge$"ieht, oder
[25]ge$"ehen $o}, zum Grunde gelegt wird. Auf die$e Wei$e
aber wird dur" die be@%ndige Nachfrage na" der Be-

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Ganz Nach ObenInhaltsverzeichnis
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digung, die Befriedigung der Vernunft nur immer wei-
ter aufge$"oben. Daher $u"t $ie ra@los das Unbedingt-
nothwendige, und $ieht $i" gen~thigt, es anzunehmen, ohne
irgend ein Mittel, es $i" begreifli" zu ma"en; gl|#li"
[5]gnug, wenn $ie nur den Begri' aus+ndig ma"en kann,
der $i" mit die$er Voraus$e{ung vertr%gt. Es i@ al$o
kein Tadel f|r un$ere Deduction des ober@en Princips
der Moralit%t, $ondern ein Vorwurf, den man der
men$"li"en Vernunft |berhaupt ma"en m|ßte, daß $ie
[10]ein unbedingtes practi$"es Ge$e{ (derglei"en der cate-
gori$"e Imperativ $eyn muß,) $einer ab$oluten Nothwen-
digkeit na" ni"t begreifli" ma"en kann; denn, daß $ie
die$es ni"t dur" eine Bedingung, nemli" vermittel@
irgend eines zum Grunde gelegten Intere=e, thun wi},
[15]kann ihr ni"t verda"t werden, weil es alsdenn kein mo-
rali$"es, d. i. ober@es Ge$e{ der Freyheit, $eyn w|rde.
Und $o begreifen wir zwar ni"t die practi$"e unbedingte
Nothwendigkeit des morali$"en Imperativs, wir begrei-
fen aber do" $eine Unbegreifli"keit, wel"es a}es i@,
[20]was bi}igermaßen von einer Philo$ophie, die bis zur
Grenze der men$"li"en Vernunft in Principien @rebt,
gefodert werden kann.


128 [4:463]
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